Wirtschaftspolitik
EU-Konjunkturmotor kommt nicht in Fahrt
Wifo: Erholung im EU-Raum nur zögernd trotz US-Aufschwung
Wien - In der EU kommt der Konjunkturaufschwung nur langsam
in Gang. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Euroraum lag
im 1. Quartal 2002 real um 0,2 Prozent über dem Vorquartal (plus 0,1
Prozent gegenüber dem Vorjahr). In den USA hingegen sei die Rezession
im 1. Quartal 2002 überwunden worden und das BIP sowohl gegenüber dem
Vorquartal als auch gegenüber dem Vorjahr real um etwa 1,5 Prozent
gewachsen. Wie das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) am Donnerstag
weiter mitteilte, trugen das stark gesenkte Zinsniveau,
Steuerreduzierungen und eine Ausweitung der öffentlichen Ausgaben in
den USA wesentlich zur Konjunkturwende bei, vor allem zur anhaltenden
Stärke des privaten Konsums. In Europa ist die Inlandsnachfrage bisher schwach geblieben. Die
Arbeitslosigkeit werde heuer weiter steigen, dürfte aber mit
zunehmender Dynamik des Aufschwungs im kommenden Jahr wieder
zurückgehen. Derzeit sei kein markanter Inflationsdruck abzusehen, so
Wifo-Experte Markus Marterbauer. Das Risiko für die weltweite
Konjunktur bestehe in einem Anstieg der Sparquote in den USA, einer
krisenbedingten Erhöhung der Rohölpreise und einem umfangreichen
Sparpaket in Deutschland.
Lager werden aufgebaut
Wie für einen beginnenden Konjunkturaufschwung typisch, hätten die
Unternehmen zu Jahresanfang wieder begonnen Lager aufzubauen. Dies
sei ein weiterer Beleg für ein optimistischeres Geschäftsklima.
Allerdings sei die Kapazitätsauslastung bisher noch zu niedrig, um
die Unternehmen auch zu einer Ausweitung der Investitionen zu
veranlassen. Das Anziehen der Nachfrage in den USA zeige sich auch in
einem starken Anstieg der Importe. Dies trage zu einer weiteren
Ausweitung des Defizits in der Leistungsbilanz bei, es könnte im
kommenden Jahr 550 Mrd. Dollar (584 Mrd. Euro) erreichen.
Das Handelsbilanzaktivum der Länder der Euro-Zone dürfte heuer auf
1,25 Prozent des BIP steigen. Im Jahresdurchschnitt, so Marterbauer
weiter, könne in der EU ein Wirtschaftswachstum von etwa 1,5 Prozent
erwartet werden (entspricht dem Vorjahresniveau). Dies impliziere
aber bereits Raten von mehr als 2,5 Prozent gegen Jahresende. Für das
Jahr 2003 werde ein Wachstum von knapp 3 Prozent prognostiziert.
Arbeitsmarkt reagiert zögerlich
Mit zeitlicher Verzögerung werde der Arbeitsmarkt positiv auf die
Ausweitung der Produktion reagieren. Heuer sei noch eine Zunahme der
Arbeitslosenquote auf etwa 8,5 Prozent in der Euro-Zone und 7,75
Prozent in der EU zu beobachten. Unter der Annahme stabiler Preise
auf den internationalen Rohölmärkten werde laut Prognosen ein
Rückgang der Inflationsrate auf 2 Prozent erwartet.
Die Aufmerksamkeit der EU-Wirtschaftspolitik sollte sich auch zwei
weiteren möglichen Problembereichen widmen: In Portugal vertiefen
sich die makroökonomischen Ungleichgewichte, die in hoher
Verschuldung des privaten Sektors sowie in steigenden Defiziten von
Leistungsbilanz (2001 9,5 Prozent des BIP) und Staatshaushalt (knapp
3 Prozent des BIP) zum Ausdruck kommen.
Auch in den ostmitteleuropäischen Ländern (vor allem in Tschechien
und Polen) bestehe in den letzten Jahren eine bedenkliche Tendenz zu
einer realen Aufwertung der nationalen Währung gegenüber dem Euro.
Dies könnte mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit der
Exportwirtschaft der MOEL und damit den Aufholprozess gegenüber
Westeuropa ernsthaft gefährden. (APA)