EU
Breite Mehrheit des Europaparlaments für Erweiterung 2004
Tschechien soll Benes-Dekrete aufheben, falls diese heute noch diskriminierend wirken
Straßburg - Das Europäische Parlament hat mit breiter
Mehrheit den Beitritt "möglichst vieler neuer Mitgliedstaaten" im
Jahr 2004 unterstützt. Für eine entsprechende Resolution stimmten am
Donnerstag in Straßburg 396 gegen 16 Abgeordnete bei 29
Stimmenthaltungen. Zugleich fordert das EU-Parlament Tschechien zur
Aufhebung der Benes-Dekrete auf, falls diese auch heute noch zu
EU-widrigen Diskriminierungen nicht-tschechischer Bürger führen.
Dieser Punkt wurde ohne Änderungen angenommen. Dagegen lehnte das Parlament alle Änderungsanträge zu
Umweltforderungen an die Kandidaten ab. Auch der Appell an die
Länder, die der EU als erste beitreten werden, von vornherein auf ihr
Vetorecht gegenüber den Nachzüglern zu verzichten, wurde abgelehnt.
Die EU-Staaten werden aufgefordert, keine neuen Beitrittshindernisse
aufzubauen, sondern so rasch wie möglich eine gemeinsame Position in
den umstrittenen Kapiteln Landwirtschaft, Regionalpolitik und Budget
zu finden, um die Verhandlungen fahrplanmäßig zu Jahresende
abzuschließen.
Besorgnis über antieuropäische Bewegungen
"Besorgt" zeigt sich das Parlament über die Zunahme
"populistischer, fremdenfeindlicher und antieuropäischer Bewegungen
in den Beitrittsländern und den Mitgliedstaaten", die sich negativ
auf den Erweiterungsprozess auswirken könnten.
Insgesamt bescheinigt der Bericht den Kandidaten große
Fortschritte auf dem Weg in die EU. Zum "Dauerbrenner" Zypern
erwarten die Abgeordneten ein Abkommen zwischen dem
griechisch-zypriotischen Präsidenten Glafcos Clerides und seinem
türkisch-zypriotischen Gegenspieler Rauf Denktas über die Zukunft der
Insel bis Ende Juni. Unterstrichen wird erneut die EU-Position, dass
die EU nur einen einzigen souveränen Staat, aber mit zwei
Volksgemeinschaften, aufzunehmen bereit ist.
Tschechien wird wie die meisten anderen Kandidaten zu einer
umfassenden Verwaltungsreform ermahnt und ermutigt, auf dem Weg des
Minderheitenschutzes für die Roma voranzugehen. Die Wirtschaft des
Landes wird laut Einschätzung des Parlaments dem internationalen
Wettbewerb standhalten können. Ungarn soll im Sinne der
gutnachbarschaftlichen Beziehungen dafür sorgen, dass sein Gesetz
über das Statut der Auslands-Ungarn im Einvernehmen mit der Slowakei
angewendet wird. Mit Rumänien ist dies bereits vereinbart.
Sorge äußert das Parlament angesichts "der europafeindlichen
Haltung" einiger Oppositionsparteien in der Slowakei. Alle Parteien
müssten die Regierung unterstützen, damit das Land bei der ersten
Beitrittswelle dabei zu sein könne. Slowenien werden große
Fortschritte bei der Modernisierung des Justiz- und der
Modernisierung des Bankwesens bescheinigt, bei der Katasterverwaltung
gebe es hingegen noch einiges zu tun.
Arbeitslosigkeit in Polen alarmierend
Arbeitslosenrate und Verarmung der polnischen Bevölkerung
bezeichnet das Parlament weiterhin als "besorgniserregend." Es
empfiehlt einen flexibleren Arbeitsmarkt. Auch bei der Modernisierung
von Justiz und Verwaltung sieht das Parlament in Polen noch
erheblichen Nachholbedarf. Ein funktionierender Justizapparat wird
als wichtige Voraussetzung für ausländische Investitionen genannt.
Litauen nagelt das Parlament auf die Zusage fest, seinen
Atomreaktor Ignalina vom Tschernobyl-Typ bis 2009 zu schließen. Um
die von der EU-Kommission vorgeschlagene Stilllegungshilfe von 245
Mill. Euro für 2004 bis 2006 zu erhalten, müsse Litauen aber noch ein
entsprechendes Programm erstellen. Die beiden Nachzügler Rumänien und
Bulgarien ermuntert das Parlament, ihren bisherigen Reformkurs
fortzusetzen. (APA)