Inland
"Unsere Klestils": Verlag zu hoher Entschädigung verurteilt
20.000 Euro für "Bloßstellung" des Bundespräsidenten - Verlag wehrt sich gegen "einseitige Darstellung"
Wien - "Auch ein Politiker kann nicht vogelfrei sein",
stellte Richterin Nathalie Frohner am Donnerstag im Wiener
Landesgericht fest. Weil ihrer Ansicht nach das Buch "Unsere
Klestils" von Erich Hofbauer in mehreren Punkten die
Persönlichkeitsrechte von Bundespräsident Thomas Klestil verletzt
bzw. verletzt hat, wurde der Verlag, bei dem der Bestseller
erschienen ist, zu einer Rekord verdächtigen Entschädigung
verurteilt: Das Gericht verhängte eine Buße von 20.000 Euro. Der
Verlag hat auch die Verfahrenskosten zu tragen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Rechtsanwalt Edwin Morent
meldete dagegen volle Berufung an. Sein Kollege Gottfried Korn, der
Klestil vertritt, tat dasselbe: Ihm erscheint die Höhe der Strafe zu
gering. "Das Ziel des Buches ist es, das höchste Amt der Republik
anzupatzen", meinte Korn. Hofbauer habe "Anthrax-Journalismus"
betrieben. "Hier wird Gift eingekauft und an eine breite
Öffentlichkeit versandt", bemerkte er zum Anwalt des Verlags.
"Ein schwer wiegender Verstoß"
Bundespräsident Thomas Klestil sei durch zwei Passagen in Erich
Hofbauers Buch "Unsere Klestils" bloßgestellt worden, stellte
Richterin Nathalie Frohner fest. Konkret gemeint war damit einerseits
die darin wiedergegebene Behauptung, Klestil habe vor der Auflösung
seiner ersten Ehe seine nunmehrige Ehefrau Margot Klestil-Löffler zu
einer Abtreibung in den Niederlanden genötigt. Der zweite Punkt
betraf Mutmaßungen über Klestils angeblich "kränkelnde Gesundheit".
Dadurch wurden nach Ansicht des Gerichts Umstände aus dem
höchstpersönlichen Lebensbereich Klestils erörtert, die dem
Tatbestand der üblen Nachrede mehr als nur nahe kamen. "Ein schwer
wiegender Verstoß", sagte die Richterin, die deswegen bei der
Strafbemessung sogar über die die im Medienrecht an sich vorgesehene
Wertgrenze hinausging. Das ist möglich, wenn eine inkriminierte
Textstelle "besonders schwer wiegende Auswirkungen" hat.
Anwalt des Verlags wollte Bischof Krenn als Zeugen
Edwin Morent, der Anwalt des Verlags, hätte gern den
Wahrheitsbeweis angeboten und zu diesem Zweck neben dem Ehepaar
Klestil Außenministerin Benita Ferrero-Waldner sowie den St. Pöltner
Bischof Kurt Krenn als Zeugen gehört: Letzteren zum Beweis dafür,
"dass Klestil gar nicht mehr das Gesicht verlieren hätte können", wie
der Anwalt argumentierte. Das sei nämlich schon mit dessen Scheidung
erfolgt: Nach dem Codex Iuris Canonici lebe Thomas Klestil jetzt "in
schwerer Sünde" und sei deshalb eigentlich von der Kommunion
ausgenommen, bemerkte Morent.
Der Wahrheitsbeweis wurde allerdings gar nicht zugelassen: Die
gegenständlichen Behauptungen beträfen den höchstpersönlichen
Lebensbereich und stünden in keinem Zusammenhang mit dem öffentlichen
Leben, so die Richterin. "Es hat keine Notwendigkeit gegeben, diese
Dinge wieder an die Öffentlichkeit zu zerren", erklärte sie. Die
gerüchteweise kolportierte Abtreibung war 1996 erstmals Gegenstand
von Spekulationen gewesen.
Präsident zeigt sich zufrieden
Zufrieden reagierte die Präsidentschaftskanzlei auf die
Entscheidung des Gerichts. Der Sprecher des Bundespräsidenten, Hans
Magenschab, erklärte am Donnerstag: "Thomas Klestil
ist es nicht um die eigene Person gegangen, sondern um eine
Grenzziehung im Interesse des Amtes." Erfreulich sei, "dass sich die
Gerichte der Auffassung angeschlossen haben, dass sich
Unterstellungen und Beleidigungen nicht auszahlen".
Magenschab berichtete, der Autor Erich Hofbauer und der
Iberia-Verlag seien auch bereits zu rund 385.000 Euro verurteilt
worden, weil sie gegen Einstweilige Verfügungen verstoßen hätten.
Damit war der Verkauf und Vertrieb von Ausgaben mit ehrenrührigen
Äußerungen untersagt worden. Insgesamt seien bereits 31 Exekutionen
bewilligt worden.
Unabhängig davon prüft die Staatsanwaltschaft Wien von Amts wegen,
ob gegen Hofbauer ein Verfahren wegen Beleidigung des
Bundespräsidenten einzuleiten ist. Wie am Donnerstag zu erfahren war,
hat der zuständige Staatsanwalt den Vorhabensbericht schon
abgeschlossen. Ob er genehmigt wird, soll in den kommenden Tagen im
Justizministerium entschieden werden.
Ibera-Verlag gegen "einseitige Darstellung"
Der Verlag Ibera wehrte sich am Freitag
gegen "einseitige Darstellung des Urteils in den Medien".
Zwei Fakten seien unerwähnt geblieben: erstens, dass der Kläger
seine Anwaltskosten selbst zu tragen hat. Zweitens enthalte das
Urteil zwei Freisprüche bei insgesamt vier Anklagepunkten. Frei
gesprochen wurde Ibera in folgenden beiden Punkten: Autor Hofbauer
bezeichnet - im Buch - das Gerücht, dass das Ehepaar Klestil/Löffler
ein Kind in einem Schweizer Internat großziehen lasse, als "haltlos".
Ebenso als "haltlos" bezeichnet wird das Gerücht über Klestils
angeblichen HIV-Infektio. Beide Fälle, so die Richterin am
Donnerstag, seien strafrechtlich nicht relevant, weil der Autor
bereits im Buch beide Fälle als "haltlose Gerüchte" bezeichnet habe.
(APA)