Mit Spannung werden - vielleicht schon heute, Freitag, spätestens aber zu Beginn der nächsten Woche - klärende Worte von US-Präsident George Bush zur amerikanischen Position im Nahostkonflikt erwartet. Die von einander abweichenden, manchmal widersprüchlichen Statements von einzelnen Regierungsmitgliedern und aus dem Weißen Haus über die Frage der Errichtung eines eigenständigen palästinensischen Staates haben zuletzt wieder einmal die starken Spannungen innerhalb der Bush-Regierung offen gelegt: Es geht dabei in erster Linie um die Rolle, die Palästinenserpräsident Yassir Arafat seitens den USA in künftigen Friedensverhandlungen zugestanden werden soll. Auf der einen Seite des Spektrums steht Colin Powell, der darauf besteht, dass Arafat weiterhin ein legitimer Verhandlungspartner für die USA sei: Arafat wäre von den Palästinensern gewählt worden, und die USA erkenne das an. Auf der anderen Seite stehen die Hardliner, Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, die beide infrage stellen, ob Arafat der richtige Ansprechpartner für Friedensverhandlungen sei. Die Publizierung eines Powell-Interviews in der Tageszeitung al-Hayat, in dem er die Möglichkeit eines palästinensischen Übergangsstaates ventilierte, und die darauf folgende relativ scharfe "Korrektur" seitens des Pressesprechers im Weißen Haus, Ari Fleischer ("Wenn der Präsident etwas sagen will, dann wird er das tun"), brachten jedenfalls kein anderes Resultat als europäische Alliierte und befreundete arabische Staaten - und wohl auch Israel - zu verwirren. "Kein Konflikt" Powell und seine Mannen wollten am Donnerstag von einem internen Konflikt jedoch nichts wissen: "Ich merke nichts von Divergenzen", erklärte Powell und qualifizierte seine Aussage dahingehend, dass die Bush-Regierung nicht beabsichtige, die Idee eines Übergangsstaates zum Kernstück ihrer Nahostpolitik zu machen, sondern dass es sich dabei nur um eine der Alternativen handle, die in Erwägung gezogen würden. Die palästinensische Führung hat am Donnerstag bereits ihre Ablehnung eines "Übergangsstaats" à la Powell verkündet. Rege Diplomatie Donnerstag traf Bush mit dem saudiarabischen Außenminister Prinz Saud al-Faisal zusammen, und Powell soll heute, Freitag, mit dem Planungsminister Arafats, Nabil Shaath, zusammenkommen. Darüber hinaus tagt am Freitag auch das so genannte "Nahostquartett" - USA, UNO, EU und Russland - in Washington. Erst danach will Bush entweder noch Freitag nach diesen Treffen oder am Beginn der nächsten Woche seine Pläne für den Nahen Osten konkretisieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.6.2002)