Wien - Die Konkurrenz zwischen Sun Microsystems, dem Hersteller leistungsstarker Server auf Unix-Basis, und Microsoft, das zunehmend in das Serverrevier von Sun eindringt, hat lange Tradition. Zuletzt startete Microsoft mit seiner .NET-Initiative (gesprochen Dot-Net) für Internetdienste einen weiteren Angriff auf Sun, das mit Java eine einfache Programmumgebung für Geräte jeder Art bietet, vom PC bis zum Handy. Der Streit um das von Sun lizenzierte Java wurde gerichtsanhängig, nachdem Microsoft eine eigene Version verwenden wollte, die nicht den Sun-Vorgaben entsprach. Nachdem Sun vom Gericht Recht erhielt, eliminierte Microsoft Java in Windows. Jetzt kontert Sun, indem es Microsoft seine ureigene Domäne, den Desktop, streitig machen will. Denn für die meisten Benutzer zählt weniger das Betriebssystem als Microsoft Office, mit dem der Arbeitsalltag bestritten wird. Office sorgt für rund ein Drittel des Microsoft-Umsatzes. Office-Paket Suns Waffe ist ein eigenes Office-Paket, Star Office, das vom deutschen Softwarehaus Star Division entwickelt wurde, das vor einigen Jahren von Sun gekauft wurde. Bisher konnte Star Office gratis als Download bezogen werden und hat einen verschwindend kleinen Marktanteil. In mehrfacher Hinsicht ändert Sun jetzt die Strategie. Die neue Version 6 ist kostenpflichtig - bei 89 Euro jedoch zu einem Bruchteil der Kosten von Microsoft Office (Einzellizenz rund 800 Euro). Der Preis ist auch weniger ein Ertragsfaktor, räumt der österreichische Sun-Chef Donatus Schmidt gegenüber dem STANDARD ein, sondern soll es ermöglichen, Vertriebskanäle aufzubauen (die kein Interesse an Gratisprodukten haben) und den notwendigen Support für Anwender zu finanzieren, den es für das Gratis-Office bisher nicht gab. Das sei vor allem für Unternehmen ein wichtiges Argument. Garantieerklärung Ohnedies sei längst der "Webtop als Benutzeroberfläche weit verbreitet", argumentiert Schmidt, "er deckt 90 Prozent unserer Arbeit ab. Wie viele Briefe werden schon noch geschrieben?" Benutzer würden aufgrund von Internet und Mail das schwergewichtige Office kaum mehr brauchen. Aber da eine Alternative nötig ist, soll Star Office diesen Platz einnehmen, und der Preis ist eine Art Garantieerklärung für die Kontinuität des Produkts. Auch technisch bietet Sun eine Alternative: Star Office 6 ist das erste Produkt der Open-Source-Initiative "Open Office". Wie bei Linux ist dabei der offene Quellcode IT-Managern zugänglich. Sun will so aus dem Misstrauen Gewinn schlagen, mit dem manche dem De-facto-Monopolisten Microsoft begegnen. So entschied sich der Deutsche Bundestag vor einigen Monaten für Linux, um seine Abhängigkeit zu verringern. Dabei wird ein weiterer Teil der Strategie sichtbar: Da Star Office nicht nur für Windows, sondern auch für Linux verfügbar ist, Microsoft Office hingegen nicht, deckt es einen bisherigen Nachteil von Linux (keine Standardanwendungen) ab. Die größte Schwäche der Strategie besteht in dem, was Star Office fehlt: ein Outlook vergleichbarer E-Mail-und Kontaktmanager. Dafür müsste man zu einem weiteren Open-Source-Programm greifen, nämlich dem Internetbrowser und Mailclient Netscape. (Helmut Spudich/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2002)