Wien - Es sei für ihn völlig unverständlich, dass etwas im EU-Rat als österreichische Position ausgegeben wird, was keine österreichische Position ist, polterte Finanzminister Karl-Heinz Grasser am Dienstag. Mit ihm sei dies jedenfalls nicht abgesprochen. Grasser reagierte damit auf den Vorstoß von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die sich am Montag im EU-Außenministerrat generell für den Vorschlag der Europäischen Kommission ausgesprochen hat, das Regime der agrarischen Direktzahlungen auch auf die Beitrittskandidaten auszudehnen. Gleichzeitig hatte die Außenministerin aber auch festgehalten, dass Österreich diesen Ansatz "nur unter den derzeit gegebenen budgetären Voraussetzungen" billigt. Das sollte heißen: Die Budgetbeiträge der Mitgliedsländer sollen die derzeit tatsächliche Höhe von 1,1 Prozent nicht überschreiten. Nein der "Viererbande" Der Vorschlag der Kommission wird auf EU-Ebene von einer im Verhandlerjargon als "Viererbande" bezeichneten Gruppe von Nettozahler-Ländern mit Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Schweden heftig bekämpft. Sie pochen auf die Beschlüsse zur Agenda 2000 beim Berliner Gipfel 1999, bei der Direktzahlungen für Beitrittskandidaten nicht erwähnt werden. Diese würden nach 2006 den EU-Haushalt über Gebühr belasten, was die Nettozahler auszubaden hätten. Die EU fand in dieser Frage noch zu keiner gemeinsamen Linie. Finanzminister Grasser liebäugelte zuletzt immer offener mit der Haltung der "Viererbande". Dies entspricht auch der von Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer definierten FP-Position: Die EU-Erweiterung dürfe auf keinen Fall zu einer zusätzlichen Belastung für den österreichischen Steuerzahler werden. "Beihilfen sind Acquis" Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer pocht naturgemäß auf das Direktbeihilfenregime. Dies entspreche dem Acquis Communautaire, also dem EU-Rechtsbestand, der natürlich auch Basis der Agenda 2000 sei, so Molterer zum STANDARD. Zudem seien die Direktzahlungen ein vergleichsweise kleiner Posten in den Kosten der EU-Erweiterung. 65 Prozent dieser Kosten entfielen auf die Strukturpolitik, die niemand infrage stelle. Nur 30 Prozent gingen auf die Landwirtschaft zurück, davon seien die Direktbeihilfen wiederum nur ein Teil. Der Streit beschäftigte am Dienstag auch den Ministerrat. Danach dominierte die Diplomatie: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erklärte, die Außenministerin habe ihre Position vertreten, eine Abstimmung dazu habe es nicht gegeben. Demgegenüber bestätigten diplomatische Quel- len dem STANDARD, dass Ferrero-Waldner ihren Vorstoß sehr wohl mit dem Kanzler abgeklärt habe. Grasser erklärte nach dem Ministerrat, wesentlich sei, dass ein Konsens erzielt worden sei, dass Österreich darauf drängen werde, seinen Beitrag zur EU künftig mit 1,1 Prozent zu deckeln. "Das ist ein Eckpfeiler für unsere Verhandlungsposition", so Grasser zum STANDARD. (Johannes Steiner/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2002)