Zu großer Verärgerung unter den EU-Beitrittsländern hat die Vertagung der Entscheidung über die Agrarhilfen bei der Sitzung des Allgemeinen Rats am Montag in Luxemburg geführt. Wie berichtet, wollten die Außenminister den EU-Gipfel kommende Woche in Sevilla mit dem Streit um die Direktzahlungen nicht belasten. Es soll zwar noch einmal vor Sevilla am kommenden Montag bei einer neuerlichen Sitzung des Allgemeinen Rates verhandelt werden, aber ein Durchbruch ist nicht wahrscheinlich.Vertreter der Beitrittsländer zeigten sich am Dienstag enttäuscht und in diplomatischen Kreisen befürchtet man eine Verschiebung des Abschlusses der Beitrittsverhandlungen, was zumindest in einigen Ländern die ohnehin schwierige Beitrittssituation weiter verschärft. EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat vor wenigen Tagen darauf hingewiesen, dass die Geduld in den Kandidatenländern demnächst erschöpft sein könnte. Der Streit um die Agrarhilfen ist einer der größten Brocken bei den Erweiterungsverhandlungen. Es geht um die direkten Einkommensbeihilfen für Landwirte, von denen besonders Frankreich und die südlichen EU-Länder profitieren. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, dieses milliardenschwere System nur schrittweise und langfristig auch für die neuen EU-Mitglieder zu öffnen. Besonders Deutschland und die Niederlande haben sich gegen die Direktzahlungen ausgesprochen. Großbritannien und Schweden sind war skeptisch, signalisierten jedoch am Montag in Luxemburg zumindest Gesprächsbereitschaft über Quoten und Referenzenmengen, die Grundlage für die Berechnung der Direktzahlungen sind, die den EU-Haushalt derzeit rund 25 Milliarden € jährlich kosten. Abgesehen von der Auseinandersetzung um die Direktzahlungen machen die Erweiterungserverhandlungen Fortschritte. Mit Litauen kam es am Dienstag zur Einigung über das Kernkraftwerk Ignalina, das bis spätestens 2009 vom Netz gehen muss. Die Union hat finanzielle Hilfen zugesagt. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2002)