Kassel - Der deutsche Bundespräsident Johannes Rau hat am Samstag in Kassel die elfte Weltkunstschau documenta eröffnet. documenta-Chef Okwui Enwezor empfing Rau vor der Kunsthalle Fridericianum und ging mit ihm als ersten Gast durch die Ausstellung. Dieser würdigte das gesellschaftskritische Konzept der documenta und sagte: "Kunst, die nicht politisch wirken will, wäre nicht zeitgenössisch." Mit dem Andrang der ersten Besucher verwandelte sich Kassel wieder in eine internationale Kunstmetropole auf Zeit. Rau sagte: "Das ist eine Art von Kunst, die mir zum Teil sehr fremd ist und an die man sich herantasten muss." Beeindruckt zeigte sich der Bundespräsident von Fotografien, die der Marokkaner Touhami Ennadre am 11. September 2001 nach den Terroranschlägen in New York machte. Bei seinem Rundgang begleiteten Rau unter anderem Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin (SPD), Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sowie Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). "Verwirrend", "fantastisch", "politisch" Ein sehr unterschiedliches Urteil hatten die ersten Besucher, die sich durch die Ausstellungsräume drängten. "Die documenta 11 ist fantastisch, sie ist politisch", sagte Fotograf James Higginson aus Los Angeles. "Sie zeigt den Klassenkampf, über den die Menschen nicht reden." Allenfalls gebe es etwas zu viel Videokunst. Den Einwand teilte Wolfram Haupt aus Kassel. "Bei einem schnellen Durchgang kann man sich das gar nicht angucken." Sehr politisch sei die Ausstellung, viel mehr zumindest als die beiden vorangegangen Weltkunstschauen. Eher verwirrt läuft Annalis Iversen aus Dänemark durch die labyrinthartigen Räume im erstmals genutzten Gebäude einer früheren Brauerei. "Ich weiß nicht, in welche Richtung ich gehen muss, aber das ist vielleicht auch die Idee dabei." Nur einen Tag Zeit hat die mit einer Reisegruppe gekommene Frau, um die Kunst auf sich wirken zu lassen. "Ich sehe den Zusammenhang viel zu wenig", bemängelte Lehrerin Gesa Haarpaintner aus Aschaffenburg. Zu einer Fotoserie seien die begleitenden Texte nur in Englisch ausgehängt. "Die erwarten ein Publikum, das Englisch kann, für die Allgemeinheit ist das nichts." "Art for People" Bei strahlendem Sonnenschein wurde der Friedrichsplatz vor der Kunsthalle Fridericianum wieder zum Rastplatz für Besucher und zur Bühne für zahllose, oft skurrile Kunstauftritte, die nicht immer etwas mit der documenta zu tun haben. In chinesische Soldatenuniformen gehüllte Asiaten fordern auf einer roten Fahne "Art for People", ein Künstler aus Lüttich hat im Kofferraum seines Kombis mehrere Fernseher laufen und ein Mann torkelt hinter einem riesigen, durchsichtigen Ball her und lässt sich dabei filmen. Ein documenta- Happening, das viele nicht als solches erkennen, sind die Eisverkäufer, die im Auftrag des Brasilianers Cildo Meireles vor der Kunsthalle Erfrischungen anbieten. (APA/dpa)