Die umstrittenen Benes-Dekrete sind kein Hindernis für einen Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union. Dies stellt das Europäische Parlament (EP) in seinem nun fertig gestellten Bericht über den Stand der Beitrittsverhandlungen fest, über den am kommenden Donnerstag bei der Sitzung in Straßburg abgestimmt wird. In dem Bericht heißt es, "das Europäische Parlament ist der festen Überzeugung, dass so wie in den Fällen bereits erfolgter Beitritte unterschiedliche Auffassungen über geschichtliche Ereignisse kein Beitrittshindernis darstellen, erwartet sich aber von allen Seiten die Bereitschaft zum offenen Dialog, dem das Bekenntnis eines gemeinsamen Europas, das die Nachkriegsordnung ablöst, zugrunde liegt".Unabhängig davon sei die Frage zu beurteilen, ob die Benes-Dekrete heute noch diskriminierende Wirkung entfalten, erklärte der Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion (SPE), Hannes Swoboda. Das wäre der Fall, wenn durch die Dekrete "neues Unrecht" geschaffen würde. Konkret könnte die Generalamnestie für Straftäter im Zusammenhang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen aufgeworfen werden, wenn es sich um Straftaten handelt, die noch nicht verjährt sind. In diesem Fall müssten dann die tschechischen Gerichte tätig werden. In dem EP-Bericht werden von den Beitrittsländern Maßnahmen zum Schutz der Minderheiten verlangt. Hier geht es vor allem um die Stellung der Roma-Minderheiten. Verlangt wird die "Beendigung der Diskriminierungen durch staatliche Einrichtungen und öffentliche Stellen" in Form von "festen Zusagen" jedes Landes. Im EP rechnet man mittlerweile mit einer Verzögerung des für Ende 2002 geplanten Abschlusses der Beitrittsverhandlungen um ein bis zwei Monate, was aber keine Auswirkung auf den Erweiterungstermin 2004 haben dürfte.(Der STANDARD, Printausgabe, 7.6.2002)