Österreichs Nein zum neuen EU-Forschungsprogramm wegen ethischer Bedenken zur Stammzellenforschung sei ein "notwendiger Impuls für eine breite Diskussion auf europäischer Ebene zu dieser Grundwertehaltung". In blumigen Worten verteidigte Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer Österreichs Alleingang, womit die Scheinheiligkeit der Argumente aber kaum übertüncht werden konnte. Gewiss: Es gilt einen Diskurs zu führen über die Forschung an embryonalen Stammzellen, die Wissenschaft bewegt sich da auf ethisch äußerst heiklem Terrain. Der Diskurs fand auch vielerorts statt - in Deutschland etwa im Parlament. Wo er nicht einmal in Ansätzen abgehalten wurde, das ist in Österreich. Widersinnige Forderung Im Gegenteil: Gehrer präsentierte beim EU-Rat im vergangenen Dezember eine Position Österreichs, die selbst ihre eigenen Spitzenbeamten vor den Kopf stieß. Wurde da doch die widersinnige Forderung gestellt, gleich alle Forschung an existierenden Stammzellen (sprich: auch an ethisch unbedenklichen adulten Zellen) von EU-Förderungen auszuschließen. Nie ließ sich eruieren, welchem Hinterzimmer-Diskurs dies entsprang. Dann bot die Bioethik-Kommission der Regierung einen Ausweg aus dem Eck: Sie sagte ein prinzipielles Ja zur Stammzellenforschung mit gewissen Einschränkungen. Die Regierung aber nahm die Hilfe nicht an und beharrte auf der Übernahme jeder der vom Bioethik-Rat genannten Einschränkungen ins EU-Programm. Und als sich auch die katholische Phalanx mit den Iren und Italienern auflöste, blieb sie als Neinsager allein. Österreich bewies damit wieder einmal seine taktische Ignoranz in europapolitischen Fragen und muss sich darüber hinaus den Vorwurf gefallen lassen, aus Prinzipienreiterei einem zentralen europäischen Zukunftsprojekt eine Absage erteilt zu haben. (DER STANDARD, Printausgabe 5.6.2002)