Mit "Seit 1965: Metakunst und Kunstkritik" präsentiert die Generali Foundation das in Europa leider kaum beachtete Werk Adrian Pipers. Die Künstlerin und (gelernte) Philosophin sieht die Arbeit des Künstlers nur am Rande in der endlosen Produktion von Gebilden.

Wien - Zuerst war es Sol Lewitt, der ihr Leben veränderte, dann Immanuel Kant. Ersterer wies ihr durch seine Arbeiten und Texte zur Konzeptkunst einen Weg aus der "Sackgasse" figurative Malerei, zweiterer eröffnete ihr den Konzeptkünstler als "Mystiker".

Adrian Piper wurde 1948 in Harlem geboren - als afroamerikanische Frau "weißer" Haufarbe. (Das ist insofern bemerkenswert, als sie immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, auf diese besonderen Umstände nicht explizit hingewiesen zu haben!)

Mit 18 kam sie malend an die New Yorker School of Visual Arts, drei Jahre später, 1969, nahm sie an der wichtigen Schau Concept Art in Leverkusen teil, im Jahr darauf an der legendären Information-Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art. Ihre erste Personale fand 1969 in einer Zeitschrift statt: In Vito Acconcis und Bernadette Mayers 0 to 9 Press.

Bis 18. August ist Adrian Pipers Oeuvre in der Generali Foundation zu entdecken; von 8. Juni an, sind Teile ihrer aktuellen Color-Wheel-Serie auf der Documenta 11 in Kassel ausgestellt. Piper nutzt darin den Pantone-Farbfächer zur Bestimmung der Hautfarbe ausgewählter Probanden.

Noch nie war Adrian Pipers Werk in vergleichbarer Dichte in Europa zu sehen, erstmals sind alle Aspekte von Pipers Arbeit als Künstlerin, Autorin und Philosophin in einer deutschsprachigen Publikation verfügbar. Sol Lewitts indirekter Einfluss auf Adrian Piper bestand darin, ihr klar zu machen, dass Kunst nichts mit dem Entsprechen von ästhetischen bzw. sozialen Normen zu tun hat, sondern, ganz im Gegenteil, einzig der Künstler legitimiert sein kann, die "Standards" seiner Produktion und die Umstände seines Seins und Agierens festzulegen - die Basis zur Abkehr von einem tradierten Werkbegriff und der zwingenden Verwendung als "künstlerisch" angesehener Materialen. Piper begann mit Klebestreifen lewitt-nahe Raster zu verlegen, mit Text und Fotografie zu arbeiten, widmete sich - durchaus zeitgeistig - der Erfahrung von Raum und Zeit, um dann sehr rasch ihre bevorzugten Medien selbst hinsichtlich ihres Kommunikations-Potentials oder möglichen Verweischarkters zu befragen. Performances im öffentlichen Raum waren ein erster Schritt, zu erproben, wie sich die Wirkung von Kunstwerken auf den Betrachter steigern ließe.

Kant kam über seine Kritik der reinen Vernunft in ihr Leben. Adrian Piper widmete sich gerade ausgedehnten Fastenkuren auf Saftbasis nebst intensiven Studien in Yoga als ihr die Kritik - "das profundeste Buch, das ich je gelesen habe" - unterkam. Kalorien- und, in zumindest mittelbarer Folge davon, auch kontaktlos konnte Kants Denken sich Ihrer bis hin zum Rand der Selbst-Transzendenz bemächtigen. Zur Versicherung ihrer physischen Präsenz dienten regelmäßige Kontrollgänge mit Kamera und Tonband zum Spiegel - ein Ritual, die Erkenntnis vom Künstler als Mystiker.

"Der Impuls des Künstlers oder der Künstlerin mündet in einem Produkt, das in gewisser Hinsicht opak ist. Das heißt, die Arbeit besteht nicht darin, die Welt oder die Struktur der Gesellschaft durch Sozialarbeit oder politische Arbeit, als Lehrer oder Mediziner zu verändern. . . Die berufliche Funktion des Künstlers oder der Künstlerin unterscheidet sich von anderen beruflichen Funktionen durch den Impuls, mit den Früchten seiner/ihrer Arbeit Erfahrung idealtypisch zum Ausdruck zu bringen." Die Rezeption von Pipers Werk setzt leider erst jetzt, sehr sehr spät ein. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.6.2002)