Inland
Anti-Terror-Paket von Ministerrat beschlossen
Telefonüberwachung und Cyber-Crime neu geregelt
Wien - Der Ministerrat hat am Dienstag das Anti-Terror-Paket
beschlossen. In Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September
des Vorjahres werden in Umsetzung von EU- und internationalen
Verpflichtungen die Strafbestimmungen gegen Terrorismus und
Organisierte Kriminalität verschärft. Einwänden aus der Begutachtung,
die Verschärfungen gingen zu weit und würden auch zivilen Widerstand
- z.B. die Hainburg-Besetzung - unter Strafe stellen, wurde in der
Regierungsvorlage teilweise Rechnung getragen, ebenso wie Einwänden
der Banken zur Durchbrechung des Bankgeheimnisses. So wurde die leichte Körperverletzung aus dem Katalog der
terroristischen Straftaten gestrichen, nur die schwere
Tatbegehungsform gilt als terroristische Straftat - wenn sie mit
spezifisch terroristischer Absicht begangen wird. Dies ist, wie der
neue Par. 278c Strafgesetzbuch definiert, dann der Fall, wenn sie
"eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen
Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens
herbeizuführen und mit dem Vorsatz begangen wird, die Bevölkerung auf
schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine
internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder
Unterlassung oder die politischen, verfassungsrechtlichen,
wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder
einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu
zerstören".
Ziviler Widerstand fällt nicht unter terroristische Straftaten
"Präzisiert" wurde, so Sektionschef Roland Miklau, dass ziviler Widerstand wie die Besetzung der Hainburger Au oder
Anti-Temelin-Grenzblockaden nicht unter terroristische Straftaten
fällt. In den Erläuterungen habe man festgehalten, dass solche lokal
begrenzten Aktionen keine Terrortaten seien. Wenn allerdings jemand
z.B. bei einem Frächterstreik alle Autobahnen und Fernstraßen in
einem großen Gebiet blockiert und das mit einer Forderung verbindet,
"kann er in die Nähe einer terroristischen Straftat kommen", erklärte
Miklau.
Beim Bankgeheimnis kam man der Kritik der Wirtschaftskammer
entgegen, wobei der Spielraum gering gewesen sei, "wir sind auch hier
an EU-Recht gebunden". Aber anstatt die Durchbrechung des
Bankgeheimnisses unter gewissen Voraussetzungen schon zuzulassen,
wenn ein Bezirksgerichts-Delikt vorliegt, wird jede Art der
Durchbrechung auf Gerichtshof-Delikte eingeschränkt. Außerdem muss
der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vom Gericht besonders
berücksichtigt werden. Geregelt werden drei Arten, in denen das
Bankgeheimnis durchbrochen werden kann: Feststellung, zu welcher
Person ein Konto gehört, Auskunft über Geschäftsverbindungen einer
Person und die schon bisher geregelte Kontoöffnung.
Kern blieb gleich
Der Spielraum für Änderungen war insgesamt angesichts der
internationalen Vorgaben relativ begrenzt. Der Kern des
Anti-Terror-Pakets blieb gegenüber dem Begutachtungsentwurf gleich:
Neu geschaffen werden im Strafgesetzbuch die Tatbestände
"Terroristische Vereinigung" (Strafdrohung bis zu 15 Jahre
Freiheitsstrafe) und "Terrorismusfinanzierung" (bis zu fünf Jahre).
Mit der Sammelqualifizierung "terroristische Straftaten" - siehe oben
- wird der Strafsatz für allgemeine Delikte wie Mord oder schwere
Körperverletzung oder gefährliche Drohung um die Hälfte erhöht, wenn
sie "terroristisch" begangen werden. Vermögenswerte terroristischer
Organisationen sollen, wie schon jetzt bei kriminellen Vereinigungen,
für verfallen erklärt werden können.
Vor allem angesichts der Selbstmordattentate wird die "kleine
Kronzeugenregelung" geschaffen: Da man Selbstmordattentäter nicht
durch Strafdrohungen abschrecken kann, will man Mitgliedern
terroristischer Vereinigungen einen "Anreiz zum Abspringen" bieten.
Ihre Mithilfe bei der Aufklärung oder Verhinderung eines
Terroranschlages wird im Strafverfahren als außerordentlicher
Milderungsgrund berücksichtigt.
Telefonüberwachung und Cyber-Crime neu geregelt
Das Strafrechtsänderungsgesetz 2002, das der
Ministerrat am Dienstag beschlossen hat, bringt nicht nur
Anti-Terror-Maßnahmen, sondern auch eine Neufassung der
Telefonüberwachung sowie Anpassungen auf Grund der
Cyber-Crime-Konvention des Ministerrates. Der gesamte Komplex der
Telefon- und Handy-Überwachung wird neu formuliert, für
Rufdatenerfassung und Standortbestimmungen werden ausdrückliche
gesetzliche Grundlagen geschaffen. In beiden Bereichen wurde im
Begutachtungsverfahren geäußerter Kritik teilweise Rechnung getragen.
Die Bestimmungen zur "Überwachung der Telekommunikation" in der
Strafprozessordnung werden modernisiert und an die weite Verbreitung
von Mobiltelefonen angepasst. Rufdatenerhebung (Zeit, angerufene
Nummer) und Standortfeststellung werden erstmals ausdrücklich
geregelt. Sie sollen schon bei "einfachem" Tatverdacht und mit
Genehmigung des Untersuchungsrichters eingesetzt werden können - im
Gegensatz zur Überwachung des Gesprächsinhalts, der nur bei
dringendem Tatverdacht und mit Genehmigung der Ratskammer zulässig
ist. Der Grundrechtseingriff sei ja geringer, wenn nicht der Inhalt
eines Gesprächs überwacht wird, erklärte Sektionschef Roland Miklau
gegenüber der APA. Angesichts der Kritik an der niedrigeren Schwelle
habe man im überarbeiteten Entwurf die Voraussetzungen präziser
definiert.
Wesentlich weiter kam das Justizministerium der Kritik an dem Plan
entgegen, die Schwelle für die Überwachung des Inhalts von
Telefongesprächen von einem Jahr auf drei Jahre
Freiheitsstraf-Drohung anzuheben. Darauf wird angesichts heftiger
Opposition des Innenministeriums und mancher Justizstellen
verzichtet, es bleibt bei der niedrigen Strafschwelle. Mit der
Strafrechts-Novelle wird weiters der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
für Telefonüberwachungen besonders betont. Außerdem werden die
Kontrollbefugnisse des Rechtsschutzbeauftragten auf
Telekommunikationsüberwachung von Berufsgeheimnisträgern und
Medienunternehmen ausgeweitet.
Die Cyber-Crime-Bestimmungen, vor allem jene über "Hacking",
wurden angesichts von Kritik in der Begutachtung gegenüber dem
Erstentwurf etwas eingeschränkt: Strafbar soll nicht sein, wenn sich
jemand bloß Kenntnis von Daten im Computer eines anderen verschafft,
sondern nur, wenn dies mit der Absicht geschieht, sich einen
Vermögensvorteil zu verschaffen oder andere zu schädigen. "Bloße
Neugier soll nicht strafbar sein", erklärte Miklau gegenüber der
APA. Hier folge man den Strafbestimmungen des Datenschutzgesetzes.
Generell werden in Umsetzung der Cyber-Crime-Konvention im
Strafgesetzbuch zum Teil neue Delikte geschaffen und zum Teil
bestehende Strafbestimmungen gegen Missbrauch u.ä. von Computern
angepasst. (APA)