Eine Null ist eine Null ist eine Null. Oder etwa doch nicht? Verschiedene Regierungsmitglieder interpretieren derzeit die Buchstabenkombination "Null" in unterschiedlichsten Varianten. Der Finanzminister bevorzugt die klassische Variante der mathematischen Punktlandung. Null heißt 0,0. Das sieht auch der Bundeskanzler so, ist aber bereit, ein "kurzfristiges Auf und Ab" im Strahlungsbereich der Null zu akzeptieren. Vizekanzlerin und FP-Klubobmann machen sich derweil für eine breitere Null stark: Die Null vor dem Komma zählt. Alles, was nicht mit eins beginnt, gilt nach dieser freiheitlichen Unschärferelation also als null.

In diese mathematische Interpretationsbredouille hat sich die Regierung selbst gebracht. In der ersten Hälfte der Legislaturperiode wurde das Nulldefizit symbolisch zum budgeterotischen Fetisch aufgeladen und mit "Sinn" erfüllt. Die dicke, fette, runde Null-Komma-null-Null sollte all das verkörpern, was die alte Regierung nicht zustande gebracht hat: Das Ende der Schuldenpolitik. Einen ausgeglichen Haushalt. Die Null sollte die helle, gute Seite des Regierens sein. Alles andere wurde als die dunkle, böse, von VP und FP abzuwendende Seite denunziert.

Und jetzt verstellt die Null den Durchmarsch zur kommenden Wahl. Der soll nämlich mit der Steuerreform als Wahlzuckerl im Rucksack angetreten werden. Nicht finanziert, verträgt sich diese aber nicht mit der Null im Budget. Die Null hat die Wähler nämlich eine Menge gekostet und wird nicht dazu taugen, als Stimmungsaufheller zu wirken. Der Steuerreform stellt sich der Star der ersten Halbzeit - die Null-Komma-null-Null - breit in den Weg. Der Weg zu einer Steuerreform wird zwar breiter, je weiter man - von 0,0 bis 0,9 - dehnt, aber es ist wieder nur eine Steuerreform auf Pump. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.6.2002)