Rom - "Italiens Wirtschaft wird die 1,5-Prozent-Wachstumsschwelle im laufenden Jahr nicht überrunden, sollte die Regierung nicht sofort strukturelle Maßnahmen ergreifen." Selbst der Präsident der italienischen Zentralbank, Antonio Fazio, der bisher die Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi nach Strich und Faden unterstützte, kam nicht mehr umhin, die mangelnden Reformen zu kritisieren und die unrealistischen Wachstumsprognosen der Regierung von 2,3 Prozent zu revidieren. Ausgabenschnitte Fazio forderte auch Ausgabenschnitte und "zusätzliche Maßnahmen", um die im Stabilitätspakt geforderte Neuverschuldung von 0,5 Prozent im laufenden Jahr zu erreichen. Regierungschef Berlusconi lehnte am Wochenende einen Nachtragshaushalt ab und hielt an seinen zweckoptimistischen Wirtschaftsprognosen fest. Wirtschaftspolitische Kreise in Rom rechnen damit, dass die Regierung Eckdaten revidieren müsse. "Italien hat durch die Verzögerung der Reformen sechs Monate Zeit für die Wirtschaftsbelebung verloren", kritisierte der Präsident der Banca d'Italia den Verzug der Regierung. Er drängte darauf, dass die Weichen für die Umsetzung des Infrastrukturprogramms gestellt, die Statuten des Arbeitsmarktes geändert und die Einführung privater Pensionsfonds beschleunigt werden. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Printausgabe 3.6.2002)