Frankfurt/Main - Der Suhrkamp Verlag will erst Anfang der Woche entscheiden, wie mit dem noch unveröffentlichen Roman von Martin Walser, Tod eines Kritikers , umgegangen werden soll. Die Auslieferung war für August geplant gewesen. Da aber FAZ- Herausgeber Frank Schirrmacher, wie berichtet, das Typoskript als "Dokument des Hasses" bezeichnet und Antisemitismus-Vorwürfe erhoben hatte, hofft Walser auf eine Veröffentlichung in den nächsten zwei Wochen: "Das Buch muss sich ja wehren können", sagte er zu Format . Marcel Reich-Ranicki, der Walser für die Figur des Kritikers André Ehrl-König als Vorlage diente, fordert hingegen von Suhrkamp, den Roman nicht zu veröffentlichen: "Der Verlag Benjamins, Adornos, Blochs, Celans darf ein solches Buch nicht verlegen." Gegenüber Focus sagte er, das ganze Buch sei "in einer hoch antisemitischen Atmosphäre gehalten", Martin Walser bringe "die schlimmsten und gängigsten Klischees des Antisemitismus oft in Nebensätzen unter". Beispielsweise, wenn der Kritiker "gern mit allerlei Frauen koitiert, vor allem mit solchen, die schwanger sind. Das ist schon ein Charakteristikum in der Nähe" des Stürmers . Verlagsleiter Günter Berg nannte Schirrmachers Vorwürfe "absurd", die FAZ verfahre nach dem Motto: "Wir erfinden eine Kampagne und stellen uns gleich an die Spitze, denn wir sind der beste Gutmensch, der rumläuft." Pikant: Neben Walser stehen auch Schirrmacher und Reich-Ranicki bei Suhrkamp unter Vertrag. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 6. 2002)