Als längjährige Musikerin bei "Huah" und "Die Braut haut ins Auge" ist Bernadette La Hengst keine Unbekannte. Seit 1998 betreibt sie darüber hinaus die Booking-Agentur "BH-booking" und bastelt eifrig am weiblichen Selbstbewusstsein im Rock-Geschäft. Die derStandard.at-Musikredaktion hat sich ihr unlängst erschienenes Solo-Debüt "Der beste Augenblick in deinem Leben" angehört:

Ina: Also, ich muss schon sagen, "Der Beste Augenblick in deinem Leben" überzeugt mich vor allem musikalisch viel mehr als das Oeuvre von "Die Braut haut ins Auge". Die Instrumentierung ist viel zeitgemäßer, das Songwriting besser und vor allem: Sie hat die Deutschrock-Elemente weitestgehend eliminiert. Nicht zum Schaden, will ich meinen.

Jürgen: Ajjjjj ... nie sollst du etwas loben, indem du etwas anderes runter machst. "Die Braut haut ins Auge" werden bei mir immer einen Stein im Brett haben, seit sie "Was nehm ich mit, wenn es Krieg gibt?" geschrieben haben. Dass nach 10 Millionen Popsongs noch einmal jemand eine Text-Idee hat, auf die vorher wirklich noch niemand gekommen ist - das hat mich schon beeindruckt. Davon allerdings einmal abgesehen: "Der Beste Augenblick in deinem Leben" ist das beste Lied, das ich heuer bisher gehört habe.

Ina: Okay, dann merk' ich eben noch an, dass ich ihren Bandnamen "Die Braut haut ins Auge" ziemlich klasse fand. Nun aber wieder zur Hengst: Die Texte haben meiner Meinung nach schon sehr viel damit zu tun, wie man sich derzeit fühlen kann: Hin und hergerissen zwischen dem Willen zur politischen Mitbestimmung und dem Wissen, dass dies nur unter sehr, sehr eingeschränkten Bedingungen möglich ist. Anstatt dann beleidigt oder zynisch in der Ecke zu stehen, schlägt die Hengst vor trotzdem weiterzumachen, weil "Die da oben machen ja doch was wir wollen". Dieser quasi optimistische Gedanke zieht sich die ganze Platte hindurch - gleichwohl wissend, dass Selbstbestimmung mitunter auch nicht so angenehm sein kann. (Siehe dein Lieblingslied: "Der beste Augenblick")

Patrick: Mir war die Dame ja bisher völlig unbekannt - aber ich muss sagen, dass mich dieses Album schon einigermaßen beeindruckt: Eine wilde Mischung vom Power-Pop-Song über die Ballade bis zu HipHop - ich glaub, Spex schreibt "musikalische 100 Grad Waschtrommel". Und im besten Sinne sehr "deutsch" politisch - in dem Sinne, als das, was die Cultural Studies als "empowerment" beschreiben, hier quer durch die Stilrichtungen offensiv behauptet wird: Pop mit Standpunkt. Und "Der beste Augenblick", da schließ ich mich an, ist ein Super-Song.

Jürgen: Gottseidank bin ich nicht der einzige, dem dazu das Wort "Powerpop" einfällt. Was mir - Trashfaktor hin oder her - auch sehr gut gefällt, ist "Juno": fängt wie Ballermann an und schlägt dann plötzlich in so'n 80er-Jahre-Ding um ... also, wenn das keine Hommage an Bananarama ist (der Gesang!!), dann will ich Hugo heißen. Übrigens: "Die da oben machen ja doch was wir wollen" ist eine großartige Zeile. Aber optimistisch? Bedenke: Le Haidersconi und der populistische Rest ... die sagen und tun wirklich nur, "was wir wollen". Finde ich eher eine sehr, sehr abgeklärte und tieftraurige Zeile.

Ina: Ich gehe ja auch nicht davon aus, dass sie "die da oben" als die sogenannten "VolksvertreterInnen" versteht und deshalb als Wählerin irgendwelche Hoffnungen auf sie setzt. Mit optimistisch meinte ich eher ihre Methode, einen eindeutig resignativen Ausspruch wie "Die da oben machen ja doch was sie wollen" inhaltlich umzudrehen. Dadurch entzieht sie der ursprünglichen Aussage die sedative Wirkung und trägt dazu bei, dass sich die Leutchen eben nicht ihrer Verantwortung entziehen.

Jürgen: Gut, dem letzten Satz schließ ich mich an. Agit-Pop also. - Und noch ein schlimmes Wort fällt mir dazu ein: "Dies ist eine wichtige Platte", musste ich die ganze Zeit denken. Sagt man normalerweise über Platten, die erkennbar gut sind, aber einem nicht gefallen. Was hier aber nicht der Fall ist: ich finde sie großartig. Und was meint Edwyn Collins-Fan Nummer 1 zu "Silverstar"? Hat doch den richtigen Plätscherfaktor, das Lied ...

Patrick: Ganz zweifellos ein tolles Lied - mit Edwyn Collins würde ich das aber nicht in Zusammenhang bringen. Das hat sowas von einer Retro-60er-Ballade - eher Saint Etienne mit ein bisschen Verzweiflung. "Ihre Liebe ist gewaltig und schneller als ein ICE, und wenn man eine Karte kauft, kriegt man nur einen Stehplatz beim WC .... Es gibt kein Happy-End". Und natürlich dann dieser aggressiv-ironische Unterton, den ich an der gesamten Platte sehr schätze. Und jetzt eine wahrscheinlich eher abwegige Metapher: wenn die Lassie-Singers so niedlich waren wie Truffaut, dann ist Bernadette la Hengst sowas wie Godard, als er "pierrot le fou" gemacht hat.

Jürgen: Godard - Truffaut ...? Das ist von Begemann geklaut! Aber zu den Texten kann ich jetzt leider nicht viel mehr sagen als zu dem, was mir während des Durchhörens aufgefallen ist. Hätte sie natürlich ganz sorgsam gelesen, aber da hat sich ja jemand MEINE CD GEKRALLT.

Ina: Sorry, wusste nicht, dass du bei deutschen Texten solche Verständnisprobleme hast. Na dann muss ich das eben machen: Sehr gut, das alles. Bei "Weh tun" kommt wieder die Forderung nach Bewegung (vor allem geistiger) ins Spiel und am Schluss ist es dann ganz explizit, wenn sie schreibt: "... keine langweilige Scheiße, und vor allem kein Bedauern, dass es früher besser war, denn ich seh den Schmerz schon lauern". Ich würde mir nur wünschen, dass das auch viele hören, sprich die Medienaufmerksamkeit ein bisschen zunimmt. Das Video zu "Der Beste Augenblick" habe ich ja schon gesehen auf Fast Forward. Mit dabei sind die MusikerkollegInnen von Parole Trixie, deren Album "Definition von süß" sie produziert hat.

Jürgen: HÖRprobleme, HÖRprobleme - nicht Verständnisprobleme, du CD-Elster. Aber apropos Medienaufmerksamkeit: ich bin ja mal echt gespannt, wieviel davon diese CD bekommen wird. Ich argwöhne ja, dass sich schon längst ein Riesenhype um "Der beste Augenblick" aufgebaut hätte, wenns von einem Mann wäre. "Neue Blumfeld" und bla. Was wetten wir, dass das hier nicht passiert? Obwohl's gerechtfertigt wäre, finde ich.

Patrick: Aufmerksamkeit hat sich das Album sicherlich verdient - und die Frage ist natürlich berechtigt, warum die einschlägigen Pop-Gazetten jetzt mit Gonzales und Rocko Schamoni zugepflastert sind. - Von Bernadette La Hengst, die ja auch schon mindestens genauso lange rum ist, ist hingegen nur relativ wenig zu erfahren. Wollen wir darüber reden?

Ina: Das ist ja jetzt ein Mega-Thema. Ich denke mir in aller Kürze: Würde die Hengst so weitreichend gewürdigt werden, wie die vergleichbaren Jungs, dann wäre das Musikbusiness auch nicht so chauvinistisch, wie es nun mal ist.