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Vitrinen stehen im zoom-Kindermuseum nicht gerade im Zentrum der Aufmerksamkeit. Angreifen, ausprobieren, mitmachen (oder turnen?) ist erwünscht.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

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Margarete Affenzeller
Wien - Sozialgeschichtlichen Untersuchungen zufolge dauert die Jugendphase heutzutage in etwa doppelt so lang als noch im 19. Jahrhundert. Und sie fängt früher an. Marktwirtschaftlich betrachtet spätestens bei null. Diesen Umstand - und vor allem, was pädagogische Reformen dabei bewirkt haben - mag man an den zunehmend differenzierter gestalteten Kinderkultur- angeboten ablesen. Noch im "Jahrhundert des Kindes" hat das Wiener Kindermuseum seine Pforten geöffnet. Seit 1994 werden dort Mitmachausstellungen veranstaltet. Und seit vergangenem Herbst ist das "zoom" im Museumsquartier ein Unternehmen mit zusätzlichen Labors, Ateliers, einem Forum für Diskussionen, einem Leseraum und einem Kleinkinderbereich. Was in den ersten sechs Monaten rund 80.000 Besucher anlockte.

Das Haus ist ein Spiegel für die gesellschafts- und familienpolitische Aufwertung bzw. Stellung des Kindes. Mit einem Jahresbudget von 1,8 Mio Euro lässt sich vieles machen. Direktorin Claudia Haas sieht aber ganz andere Grenzen: "Die Nachfrage ist sehr groß. Allein im Kleinkinderbereich (von 0-6) haben wir im ersten Halbjahr 28.000 Besucher gezählt. Unser größtes Problem ist es aber, den Eltern zu zeigen, ihren Kindern mehr Zeit und Ruhe zu geben. Es kommen zum Beispiel viele (geschiedene) Väter, die mit ihren Kindern einfach nicht spielen können!"

Auf derlei erzieherische Bedürfnisse ist das "zoom" eingestellt, läuft damit aber auch Gefahr, zum verlängerten Kindergarten zu werden. Auch aus einem weiteren Grund: Das Zauberwort der modernen Museumspädagogik heißt nämlich "Mitmachausstellung". Kindern stehen die Ausstellungsräume vor allem als spielerische Betätigungsfelder zur Verfügung.

Wo aber gibt es im Kindermuseum noch das "Museum"? Man wird den Eindruck nicht los, in Kindermuseen muss - im Gegensatz zu den "Erwachsenenmuseen" - stets gelernt bzw. gearbeitet werden. Haas macht für das "zoom" den Museumsbegriff der Wunderkammer geltend.

"In den Wunderkammern der Spätrenaissance war das Staunen über die Welt noch da, die Entdeckung der Wirklichkeit." Andererseits habe man auch ganz gewöhnliche Vitrinenobjekte, anhand derer den Kindern die Besonderheit mancher Exponate verdeutlicht wird. "Mitmachen meint schlicht den Einsatz aller Sinne. Der Besucher gibt sich gleichsam auf konstruktivistische Weise selbst die Antworten auf die Fragen, die unsere Ausstellung aufwirft", so die Direktorin.


"Learning by doing"

Provokant gefragt: Was unterscheidet das Kindermuseum nun von einer großen Montessori-Schule? - Haas: "Na ja, wir verstehen uns als Museum, das verschiedene Themen aufbereitet, bedienen uns aber einer sehr fortschrittlichen Pädagogik, nicht ausschließlich jener Maria Montessoris, sondern vor allem John Dewey's ,Learning by doing' (1859-1952). Das Fortschrittliche der Montessori-Pädagogik ist es, dass sie darauf eingegangen ist, wie Kinder am besten lernen. Sich darauf zu berufen ist natürlich etwas Gutes."

Die Vorbilder sucht man aber auch in den amerikanischen Reformbewegungen der 60er-Jahre, als man sich von der reinen Betrachtungsweise abwandte und ganze Ambiente gebaut hat. Derlei Ambitionen und ein anhaltender Besucherstrom könnten einen Sicherheitsabstand zur Event-Schiene garantieren. Das hat Claudia Haas auch vor: "Ich bin überhaupt kein Freund der Eventkultur. Sie ist im Moment so stark, dass sie schon bald vorüber sein wird. Wir versuchen auch, von der Einmaligkeit einer Veranstaltung wegzugehen."

Hervorzuheben ist - auch im Zusammenhang mit der aktuellen Ausstellung "Idea - Alltagsdingen auf der Spur" -, dass die den Kindern zur Verfügung stehenden BetreuerInnen nicht vornehmlich Pädagogen sind. Kinder, deren Alltag ohnehin von ausgebildeten Erziehern geprägt ist, haben im "zoom" die Chance, auf "authentische Menschen" (Haas) zu treffen: Künstler, Absolventen der Angewandten, Schauspieler und jeweilige Experten. Es könnte also sein, dass in der Schraubenabteilung des "zoom" ein Baumarktfachmann auf Sie/euch wartet. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.04. 2002)