Hugo Chávez ist gestürzt, und Venezuela steht vor einem Scherbenhaufen. Zweifellos war Chávez nicht mehr haltbar. Der Oberstleutnant und ehemalige Putschist hatte das Land mit einer Kaserne verwechselt, die Spielregeln der Politik mit einem Kriegsschauplatz. Selbstherrlich hatte er sich hinter der Bibel, der von ihm geprägten Verfassung und dem Staatsgründer Simón Bolívar verschanzt und keine Kritik, sei sie noch so vorsichtig und konstruktiv, geduldet.

Damit verprellte er nicht nur die von ihm ohnehin zu Feinden seiner "bolivarianischen Revolution" erklärten Eliten - Kirche, Unternehmer, Medien -, sondern zunehmend auch die eigenen Anhänger. Chávez hetzte die Armen gegen die Reichen, schuf einen Zustand permanenter Konfrontation und machte das Land damit letztlich unregierbar. Diese tiefen Wunden werden nicht schnell verheilen. Denn Chávez hatte große Hoffnungen geweckt. In all seinem linken Populismus war er das Produkt einer tiefen Frustration der 23 Millionen Venezolaner, von denen 80 Prozent in Armut leben. Sie waren enttäuscht von den unfähigen Eliten des Landes, die es trotz des immensen Ölreichtums nicht vermocht haben, der breiten Masse Wohlstand und Sicherheit zu geben. Enttäuscht von einer Demokratie, die gleichbedeutend war mit Korruption und Vetternwirtschaft.

Doch nun hat wieder ein gewählter Politiker versagt, das Militär schritt ein. Und sollten nun wieder die alten Eliten an die Macht kommen - Expräsident Carlos Andrés Pérez frohlockt bereits in seinem New Yorker Exil -, dann wird der typisch lateinamerikanische Teufelskreis von vorne beginnen. Venezuela bräuchte ebenso wie Argentinien, wie Ecuador, wie Peru verantwortungsbewusste, demokratische, moderne Eliten, die sich nicht mehr wie einst die Statthalter der spanischen Kolonialherren vor allem dazu berufen fühlen, das ihnen anvertraute Land zu knechten und auszubeuten.(Der STANDARD, Print-Ausgabe 13./14.4.2002)