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Foto: APA/dpa/Albertina
Von Markus Mittringer
Neben denen von Hugh Hefner ist der von Albrecht Dürer der bekannteste unter den jungen Hasen. Beider Kuscheltiere lernt der Abendländer in der Schulzeit kennen. Das Dürers dient, perfide aufs Cover eines jeden Zeichenblocks gedruckt, der frühzeitigen Gewöhnung der leichtsinnig kreativen Jugend an das Scheitern, das dem eigenen Tun stets innewohnt. Jene aus Hughs Lehrbuch mit dem anschaulichen Klappbild beflügeln die Fantasie auch nur so lange, als die darin nahe gelegten Hausaufgaben angesichts der Reproduktion simuliert werden.
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Der Hase ist also ein Symbol der Meisterschaft, ein allgegenwärtig dämonisch erigierter Zeigefinger, sich nur ja nichts anzumaßen. Dürers haarscharfer Mümmelmann insbesondere. Geschenkpapiere, Armbanduhren, Kaffeehäferln. Postkarten, Briefmarken, Servietten. Bleistifte, Poster, Ruderleiberln. Der ist immer und überall. Dieser Hase macht Angst. Egal, wie schnell man rennt, wohin man auch flüchtet, er ist da. So halsbrecherisch spitzwinkelige Haken lassen sich gar nicht schlagen, als dass der nicht schon vor einem dasitzen und drohend mit gespaltener Nase beben würde. Sicher, Hasen sind nicht nur zu Ostern fruchtbar. Aber gleich so! Im Stall der Nürnberger Familie Imhoff, wohin er, kurz nachdem ihn Dürer um 1502 fertig ausgebrütet hatte, kam, ging ja alles noch recht gesittet zu. Warum die ihn dann aber, anstatt ihm zwecks besserer Verdaulichkeit das Fell über die Löffel zu ziehen, haben entkommen lassen, ist ein Rätsel. Denn damit begann die Hasenplage. Der Rammler hoppelte geradewegs nach Prag, tauschte seinen Stall gegen Kaiser Rudolfs Kunst und Wunderkammer und ward dort, dank der Hofmaler Hoefnagel und Hoffmann kräftiger Hilfe beim Vermehren, bald zu sechst. Dass das nur biblisch weitergehen konnte, hätte dem Rudolf jeder Schachspieler sagen können. Aber nein! Wieder ließ man den Rammler ziehen, und bald schon erreichte die Hasenplage Wien. Zunächst bei Hof, und dann in Albert von Sachsen-Teschens Stadtpalais fand er optimale Nistplätze. Parallel dazu beglückte ein Bruder des Wiener Exemplars Königin Christina von Schweden. 500 Jahre schon hält sich der Urhase jetzt fit und kaut in der Albertina an seinem nie enden wollenden großen Nürnberger Rasenstück. Und das trotz Jahrhunderten zugiger Haltung. Selbst für einen Feldhasen erstaunlich, dass der das falten- und fleckenfrei überlebt hat. Zum Geburtstag hat er jetzt einen neuen Bau bekommen. Da aber auch in einem Hasenleben nichts umsonst ist, wird der alte Herr sich wieder stundenlang reglos vor ein Massenpublikum kauern und sanftmütig dreinschaun müssen, auf dass das Geld fließen möge, den Stall auch zu bezahlen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.3. / 1.4. 2002)