Gute Nachricht für Herrn Wolfgang Sch. aus Wien 13: Seine Botschaft ist offenbar bei Ed Fagan angekommen. "Wieso reicht der Anwalt Fagan nicht auch im Namen der Nachkommen von schwarzen Sklaven in den amerikanischen Südstaaten eine Sammelklage gegen die USA ein?", hatte sich Herr Sch. vor geraumer Zeit in einem Leserbrief an den damals noch amtierenden Krone-Kolumnisten "Staberl" erbost. "Es sind ja", fuhr Herr Sch. fort, " rund hundert Jahre lang Hundert-tausende Menschen aus allen Teilen Afrikas nach Amerika verschleppt, als Sklaven gehalten, zur Arbeit gezwungen und gedemütigt worden." Nun, seit Dienstag ist bekannt, dass Ed Fagan als einer von mehreren Anwälten zwar nicht die USA, aber doch drei Wirtschaftsunternehmen klagen wird, die angeblich alle von der Sklaverei profitiert haben sollen. Um Schadenersatz geltend zu machen, wird einmal mehr das beliebte Instrument der Sammelklage ("class action suit") bemüht. Die Idee, dass sich Nachfahren von Sklaven um Reparationszahlungen bemühen sollten, ist keineswegs neu. In der wissenschaftlich-theoretischen und politisch-praktischen Vergangenheitsaufarbeitung der USA taucht sie regelmäßig auf und wurde schon in allen Varianten durchdekliniert. So erhob etwa vor etlichen Jahren eine Pressuregroup mit dem bedrohlichen Namen N'Cobra (für: National Coalition for Blacks for Reparations) die Forderung, die US-Schwarzen auf ewige Dauer von der Einkommenssteuer zu befreien. 1994 schritten 20.000 Betroffene zur Tat und schickten leere Steuerformulare mit dem Vermerk an die Finanzbehörden zurück, sie hätten ihre Schuldigkeit schon historisch abgetragen. Im Abgeordnetenhaus kämpft der schwarze Abgeordnete John Conyers aus Michigan seit Jahren einen zähen Kampf, um die Reparation auf die Tagesordnung zu bringen. Auf den ersten Blick spricht wenig dagegen, wenn solche politischen Forderungen nun auch in den Gerichtssaal kommen. Wieso sollte im Fall der US-Schwarzen unrecht sein, was bei Zwangsarbeitern und Nachfahren von Holocaust-Opfern billig war? Dennoch gilt es zu differenzieren. Ein entscheidender Unterschied ist, dass das Unrechtsregime der Nazis im Zeithorizont einer oder allenfalls zweier Generationen liegt, während die Sklaverei in den USA 1865 abgeschafft wurde. Man könnte zwar einwenden, dass die Diskriminierung der Schwarzen in den Südstaaten auch danach noch bis in die 1960er bestehen blieb (und in vielen Fällen weiterwirkt), doch hier begäbe man sich auf völlig uferloses Terrain. Grenzziehungen sind wichtig, weil sonst die gerichtliche Abwicklung der Weltgeschichte potenziell damit enden würde, dass die Nachfahren von Abel jene von Kain mit Schadenersatzprozessen traktieren. Die Einrichtung der Verjährung hat durchaus ihren Sinn. Konservative Amerikaner werden gegen Klagen dieser Art sicher auch einwenden, dass der Steuerzahler ohnehin im Rahmen der politischen Förderung von Minderheiten ("affirmative action") eine Art Ausgleich geleistet hat. Andere Kritiker werden bemängeln, dass sie die Betroffenen in eine psychologische Falle locken, weil sie sie dazu bringen, sich mit einer unklaren Opferrolle zu identifizieren. Das eigentliche Problem ist aber weniger ein rechtliches als ein politisches. Es besteht darin, dass eine offizielle und vor allem emotional überzeugende Entschuldigung für das tatsächlich geschehene Unrecht bis heute ausgeblieben ist - sei es, weil sich niemand dafür zuständig fühlt, sei es, weil es untergründige politische Widerstände gibt. Einen Versuch, mit dem unheilvollen Erbe der Sklaverei abzuschließen, unternahm Bill Clinton 1997, doch verlief das Projekt ergebnislos im Sand. Dabei würde eine produktive Auseinandersetzung mit den dunklen Seiten ihrer Vergangenheit durchaus auch den Amerikanern gut tun. Ob aber gerade ein Gerichtsverfahren dafür den richtigen Anlass bietet, daran darf mit Recht gezweifelt werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 3. 2002)