Das Sozialministerium plant eine Reform der Opferfürsorge - aus "verwaltungsökonomischen Überlegungen". Es geht um Synergieeffekte und Einsparungen. Aber wo der Rechenstift regiert, geht offenbar jegliche Sensibilität verloren. Laut Reformplan werden ehemalige NS-Opfer, Widerstandskämpfer und ihre Angehörigen künftig nämlich vom Bundessozialamt betreut. Und dort hat man in Sachen Renten und Heilfürsorge bereits eine ganz andere Klientel: die ehemaligen Wehrmachtssoldaten und deren Angehörige.

Selbst wenn man dem Sozialministerium den guten Sparwillen nicht abspricht, die Optik ist fatal. 62.000 ehemalige Wehrmachtssoldaten plus Angehörige treffen auf 2200 NS-Opfer und deren Familien. Die Ansprüche der einen werden mit 386 Millionen Euro veranschlagt, die der anderen mit 14,5 Millionen Euro pro Jahr - ein deutliches Verhältnis. Die Zahlen zeigen, dass die Angst der NS-Opfer, benachteiligt zu werden, berechtigt sein könnte. Sie beweisen aber vor allem, wie grausam gründlich die Nationalsozialisten gearbeitet haben.

Opferverbände und Widerstandskämpfer sind empört. Sie beklagen die einzigartige Situation, dass Täter und Opfer von der gleichen Stelle "versorgt" werden - eine bittere Ironie der Geschichte. Doch der Umgang mit den NS-Opfern war hierzulande selten von großer Feinfühligkeit geprägt. So müssen die Deserteure der Wehrmacht nach wie vor auf eine gerechte Lösung warten, von der noch immer nicht vollzogenen Aufhebung der Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz ganz zu schweigen.

Vielleicht täte manchem der Verantwortlichen, die so gar kein Verständnis für das Unbehagen der Opfer haben, ein Besuch der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" gut. Dort ist deutlich dokumentiert, woher diese Gefühle rühren. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 28.3.2002)