Jenny Gage
"Underwater #5",
1999

Foto: Landesgalerie Oberösterreich
Mit einer Bilderflut belegt die Ausstellung "Aquaria" in der Landesgalerie am Oberösterreichischen Landesmuseum die außergewöhnliche Beziehung von Wasser und Mensch. Linz - Die Überraschung gelingt. Gleich hinter dem Eingang stolpert man fast über ein Deko-Teil, das aus einem Wellness-Tempel stammen oder vom Biologiezentrum des Linzer Museums hier liegen gelassen worden sein könnte. Es ist aber Kunst und handelt sich um Fabrizio Plessis Elektronische Ruine , bei der Wasser auf Monitoren eine römische Asterix-Architektur hinabplätschert. Bei diesem Entrée weiß man zumindest sofort, was Aquaria nicht ist: eine Trendschau, die eine aktuelle kunsttheoretische These anzubieten hätte. Vielmehr geht es ganz allgemein um "die außergewöhnliche Beziehung von Wasser & Mensch". So könnte auch der Titel einer Naturkundemuseum-Ausstellung lauten. Kuratorin Barbara Wally, die Leiterin der Salzburger Sommerakademie, hat einfach akribisch gesammelt, was mehr oder weniger bekannte Künstler - insgesamt sind es 58 - in den letzten 30 Jahren zum Thema Wasser gemacht haben. Und das ist nicht wenig, gibt es doch kaum eine Element, das so vielgestaltig, multifunktionell und symbolisch aufgeladen ist und uns, die wir zu 80 Prozent daraus bestehen, in so grundlegender Form ausmacht und umgibt. Schmutz und Hygiene, Sport und Sex, Natur und Mythos, Kultur und Religion, Tod und Leben: Alles fließt, und alles fließt den breiten Bach der enzyklopädischen Ausstellung daher. Da lassen sich kunsthistorische Prachtexemplare herausfischen wie Bruce Naumans Selbstporträt als Brunnen , Bill Violas Sleepers oder Valie Exports Mann & Frau & Animal . Oder unbekannte Perlen entdecken wie Andrea Procks Unterwasservideo Das blaue Aquarium , wo eine Frau auf den Screen zuschwimmt wie auf ein Bullauge, oder Andrew Phelps Fotografie Natur Deluxe mit einem Badenden, der in der romantischen Weite eines Sees steht wie eine Rückenfigur von Caspar David Friedrich. Allein diese und andere Arbeiten (wieder) zu sehen, macht den Besuch der Ausstellung bezahlt. Aber was lernen wir aus alldem? Wallys überquellender Bilderstrom hat kein Ziel und keine Richtung, er folgt nur dem allgemeinen Gefälle der Kunst des letzten Jahrzehnts Richtung Körper und Video. Fließt und pflegt Ersteres ergibt sich aus der körperpflegenden, Letzteres aus der fließenden Eigenschaft des Wassers. Warum Malerei bis auf ein Beispiel ausgespart wurde, erklärt sich eher aus diesem Gefälle als aus inhaltlichen Erwägungen. Bei Aquaria scheut man jedenfalls Aquarellisches wie der Teufel das Weihwasser; nur, was durch die Flüssigkeiten der Dunkelkammern ging, fand Einlass. Weniger verzeihlich ist allerdings der inflationär anzutreffende Kurzschluss von Wasser und Weiblichkeit. Barbara Wallys feministische Position droht hier in ihr Gegenteil zu kippen, wenn das Klischee von der verführerischen Wassernixe durch eine Unzahl mehr oder weniger nackter Taucherinnen eine unfreiwillige Bestätigung erfährt (besonders deplatziert: Joan Jonas' Frau im Brunnen im schwarzen Negligé). Zu den Bond-Girls ist es da nicht mehr weit. Subversives wie etwa Sally Manns im Stehen pissende Drei Grazien kann da den Mainstream der Ausstellung kaum mehr korrigieren. Uneingeschränktes Lob verdient hingegen der umfangreiche Katalog, der das Thema auf breiter kultur- und naturwissenschaftlicher Basis und originell (u. a. mit einem Text von Klaus Theweleit) diskutiert. Hier wird auch die Verbindung zur Populärkultur hergestellt, die man in der Ausstellung vermisst. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 3. 2002)