Der Gipfel der Arabischen Liga sei "eine Zusammenkunft von Feiglingen, die zu schwach sind, um starke Resolutionen zu verabschieden", mokierte sich kürzlich der irakische Vizepremier Tarik Aziz. Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi hatte sogar angekündigt, sein Land könnte sich aus der Organisation, die er als Maskerade bezeichnete, zurückziehen, weil sie im Fall der Palästinenser versagt habe. Die Chancen stehen aber nicht schlecht, dass die arabischen Regenten am heutigen Mittwoch und Donnerstag in Beirut ihre Kritiker Lügen strafen.

Der Friedensvorschlag von Kronprinz Abdullah bietet eine gute Gelegenheit, aus dem saudischen Vorschlag ein arabisches Friedensprojekt zu machen und damit der Arabischen Liga zu einer Hauptrolle bei der Lösung des Konfliktes zu verhelfen. Dabei stand das Treffen in Beirut am Anfang unter keinem guten Stern; es war gefährdet durch alte offenen Rechnungen zwischen Mitgliedstaaten, wie sie so oft die Organisation lähmen. Ein Zwist zwischen dem Libanon und Libyen hätte fast zur Verlegung des Gipfels geführt, und erst nach intensiven diplomatischen Bemühungen gelang es Generalsekretär Amr Moussa, die Wogen zu glätten. Gaddafi hat nun ohnehin am Montag in einem Interview mit dem arabischen Sender al-Jazeera angekündigt, dass er nicht nach Beirut käme; ein Vertreter wird entsendet.


Reformer Moussa

Diplomatisches Geschick ist denn auch die hervorstechendste Eigenschaft, die den neuen Generalsekretär der Liga auszeichnet. Erst im Mai vergangenen Jahres hat der ehemalige ägyptische Außenminister Moussa die Aufgabe übernommen, den schlafenden Riesen zu neuem Leben zu erwecken. Dass sich die Staatschefs nun regelmäßig einmal im Jahr treffen, ist ein erster Schritt aus der Lethargie. Moussa hat sich vorgenommen, eine effektive Regionalorganisation zu schaffen: Mit einem einheitlichen arabischen Standpunkt aufzutreten und damit das ganze Gewicht der 22 Staaten auszuspielen, dieses Kunststück hat der Generalsekretär schon bei der UN-Rassismuskonferenz im südafrikanischen Durban vollbracht.

Als erste nach außen sichtbare Maßnahme ernannte er drei Kommissare für Medien, Zivilgesellschaft und für den Dialog mit den Kulturen. Hanan Ashrawi, die Sprecherin der Liga, ließ allerdings am Montag mitteilen, dass sie ihre Aufgabe schon als beendet sieht. Frau, Christin und Palästinenserin waren nach dem 11. September Eigenschaften, die offenbar nicht mehr ins Bild passten.

Dass die Staatschefs nach dem Vorbild der EU Souveränität an die Liga abgeben würden, darf nicht erwartet werden. Alle wichtigen Entscheide werden weiterhin von den Königen, Emiren und Präsidenten in ihren jeweiligen Hauptstädten gefällt. Das hat sich auch im Vorfeld dieses Gipfels bestätigt; Regisseur war diesmal der saudische Kronprinz Abdullah, der sich intensiv bemüht hat, einen breiten Konsens für seinen Plan zu schmieden. Allerdings ist es ein sehr bedeutsamer Schritt für die Arabische Liga, dass Abdullah die Bühne des Beiruter Gipfels gewählt hat, um seine Friedensinitiative offiziell zu präsentieren. Das finanzkräftige Königreich war bisher eines jener Länder, die der Regionalorganisation nicht allzu viel Gewicht geben wollten.


"Schicksalsgipfel"

Viele Kommentatoren in den arabischen Medien sprachen deshalb von einem "Schicksalsgipfel". "Entweder es gelingt den Staatsoberhäuptern, sich auf einen Plan zu einigen, der zu einem umfassenden und gerechten Frieden im Nahen Osten beitragen kann, oder sie nehmen eine offene Konfrontation mit Israel in Kauf", wie es Emile Khoury in der libanesischen Tageszeitung al-Nahar formulierte. Ein Misserfolg des Gipfels hätte auch zur Folge, dass der Versuch, aus der arabischen Liga eine schlagfertige Interessenvertretung zu machen, gleich am Anfang gescheitert ist.

(DER STANDARD, Printausgabe, 27.3.2002)