Mit Waltraud Klasnic eroberte die steirische ÖVP wieder die absolute gesellschaftspolitische Dominanz im Bundesland. Dem neuen SPÖ-Chef Franz Voves muss schon etwas Sensationelles einfallen, um einen weiteren Machtzuwachs der Klasnic-Partei zu stoppen. Von Walter Müller E r zog die schwere, jahrhundertealte Türe des Plenarsaales hinter sich zu. Und weg war er. Ohne große Emotion hatte sich Josef Krainer II. wenige Minuten zuvor von den Abgeordneten des steirischen Landtages verabschiedet. Ergriffen saßen die Landespolitiker in ihren Bänken. Die Steiermark ohne ihren Landesfürsten? Nicht denkbar. Und dennoch. Nachdem Krainer alles verloren hatte bei dieser Wahl 1995, ergab sich in der Stunde der Not, dass eine Person, an die kein Mensch zuvor gedacht hatte, plötzlich seine Nachfolge antreten musste und ihn - das politische Leben ist eines der härtesten - umgehend in Vergessenheit geraten ließ: Waltraud Klasnic. Der König ist tot, es lebe die Königin. Und dieser Wechsel vom Mann Krainer zur Frau Klasnic war, wie sich erst später zeigte, eine für die ÖVP historisch glückliche Fügung. Er veränderte zwar nicht die Steiermark, dieser Wechsel aber zementierte einen Zustand ein, der die Steiermark seit 1945 prägte: die absolute Dominanz der ÖVP in der Steiermark. Stärkste ÖVP-Länderorganisation durch Klasnic Klasnic machte die steirische Volkspartei zur heute stärksten Länderorganisation der ÖVP. Die Klasnic-Steirer liegen mit 47,29 Prozent Wähleranteil bereits vor den schwarzen Bastionen Niederösterreich und Tirol. Die ÖVP prägt auch heute wieder - wie in besten Krainer-Zeiten - das gesellschaftspolitische Leben im Bundesland in einem Maße, in dem rote, blaue oder grüne Facetten nur als Farbtupfer im Image noir vorkommen. Dabei: Die Sozialdemokraten hatten ihre Chance, ihre historische sogar. In der Umbruchzeit der ÖVP nach dem Abgang Krainers 1995, als die Schwarzen demoralisiert und völlig desorientiert waren - so klein und demütig hatte man die beiden wort- und streitlustigen Gerhard Hirschmann oder Herbert Paierl später nie wieder angetroffen - hatte die SPÖ alle Trümpfe in der Hand. Sie hatte sich mit ihrem Wahlsieg wichtige Ressorts - wie etwa die Kultur - geholt. Doch die Macht machte blind und sie unterschätzten die Schläue einer Waltraud Klasnic, die sie als intellektuell nicht konkurrenzfähig erachteten. SPÖ verschätzte sich "Die spielen wir mit unserer Kompetenz an die Wand", wurde ein Sager von Parteichef Peter Schachner-Blazizek kolportiert. Ein schwerer Einschätzungsfehler. Sieben Jahre nach Krainers Abgang aus der Politik verabschiedete sich dieser Tage dessen SP-Kontrahent Schachner-Blazizek und übergab die Partei an den jüngeren Versicherungsmanager Franz Voves. Dieser ist nicht zu beneiden. Er muss seine Partei jetzt aus einer strategischen Falle führen.
Zum einen tragen die Sozialdemokraten gemäß Proporzsystem Regierungsverantwortung. Je mehr sich die SP-Politiker in ihren Ressorts profilieren, desto stärker feilen sie am Bild der guten Landesmutter, unter deren Verantwortung sogar die Sozis ordentlich arbeiten. Boykottieren sie aber die Arbeit in der Landesregierung und machen dort auf Opposition, fällt das letztlich wieder auf sie zurück. Sie wirken dann neben der friedlichen Landesmutter als ungezogene Störenfriede. Bittere Niederlage Josef Krainer II. und Schachner-Blazizek jun. waren sich zumindest in einem Punkt sehr ähnlich. Beide sind streng genommen beim Versuch, ihre Väter zu übertrumpfen, gescheitert. Krainer stand im Schatten seines übergroßen Vaters, der es zu einer Landesvaterfigur gebracht hatte. Krainer jun. entwickelte auf der Basis einer gediegenen universitären Bildung hohe politische Intellektualität. Er hatte es aber nicht geschafft, aus dem Schatten seines Vaters herauszutreten und eigene, historisch bleibende Akzente zu setzen. Es sei für ihn "besonders bitter", erzählt ein Krainer-Freund, dass ausgerechnet "die Verkäuferin" Klasnic den hoch gebildeten Krainer bei den Wahlen dermaßen spektakulär überrundet hatte. Schachner-Blazizeks Vater war einmal sehr knapp an den alten Krainer herangekommen. Der Sohn setzte sich ebenfalls in den Kopf, den Vater zu übertrumpfen und endlich das zu erreichen, was dieser nicht geschafft hatte: Erster im Land zu werden. 1995 schaffte er es beinahe. Schachner jun. kam bis auf 2500 Stimmen an Krainer jun. heran. Ungeachtet der parteiinternen Ächtung der FPÖ wollte Schachner diese historische Chance nützen und eine Koalition mit der FPÖ eingehen, um den Landeshauptmannsessel zu erklimmen. Treffen mit Haider zugegeben Jetzt im Nachhinein stellen sich die damaligen Gerüchte von heimlichen Treffen am Wörther See mit FPÖ-Chef Haider also doch als wahr heraus; Schachner gab dieser Tage bei seinem Abschied aus der Politik offen zu: "Ich hatte eine Partei, die keine Bereitschaft gehabt hat, mit der FPÖ wirklich zusammenzugehen. Ich hätte es durchdrücken können, das wollte ich aber nicht." Schachner musste dem Druck vom Bund, der ihm eine Ehe mit der FPÖ untersagte, nachgeben. Als Kompensation räumte er die ÖVP ab. Er nahm ihnen als Wahlsieger so ziemlich alle Ressorts weg. Ein, wie sich später herausstellte, ebenfalls schwerer strategischer Fehler. Denn damit waren seine Landesräte mit Arbeit eingedeckt und Klasnic hatte mit ihrem Team alle Zeit der Welt, PR in eigener Sache zu betreiben. Herbert Paierl hatte breiten Raum, seinen sehr erfolgreichen Autocluster aufzubauen und Gerhard Hirschmann konnte seine publikumswirksame Sporteventkultur verwirklichen. Klasnic fühlt und lässt denken Von Klasnic große strategische und inhaltliche Aussagen zu erwarten hieße sie falsch einzuschätzen. Klasnic lässt denken. Sie selbst spricht lieber über Gefühle der Menschen, übers Kinderkriegen, über den Alltag, aber sie spürt, wohin die Politik sich wendet. Sie führt in ihrer sehr pragmatischen Art im Grunde die Politik der VP-Vorderen Hanns Koren oder Josef Krainer fort, indem sie sich zum Beispiel im Sinne der alten Trigon-Idee dem adriatischen Raum zuwendet. Nicht wie Krainer jun. im Sinne Dutzender Symposien, sondern sehr praktisch. Sie fährt hin, spricht von Zukunftsregion und bringt "die Leut z'samm". Als vor wenigen Tagen der Philips-Konzern ankündigte, demnächst 700 Arbeitnehmer auf die Straße zu setzen, eilte - wie es sich gehört - Klasnic an Ort und Stelle und die armen Sozialdemokraten konnten nur zusehen, wie sich die Landesmutter auch um die SP-Klientel kümmert. Es muss dem neuen SP-Chef Franz Voves schon Sensationelles einfallen, um sich und seine Partei bis zum nächsten Wahltag 2005 zu einem unverzichtbaren politischen Faktor im Bundesland aufzubauen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe 22.3.2002)