International
Angeblicher deutscher Taliban-Kämpfer in Kuba inhaftiert
Experte: Schläferzellen von El Kaida weiter auch in Deutschland
Berlin (APA) - Der in Afghanistan von US-Truppen festgesetzte
angebliche Taliban-Kämpfer Murat Kurnaz aus Bremen ist in das
berüchtigte Gefangenenlager der US-Armee auf Kuba ausgeflogen worden.
Dies berichteten übereinstimmend die beiden Nachrichtenmagazine
"Spiegel" und "Focus". Die Familie erhielt demnach am Mittwoch einen
Brief des 20-Jährigen mit der Absenderangabe "160 Camp X-Ray". Das
ist laut "Spiegel" die Bezeichnung für das Internierungslager auf dem
kubanischen US-Stützpunkt Guantanamo Bay. Unterdessen sagte der
Terrorismusexperte Rolf Tophoven, das Terrornetzwerk El Kaida sei
weiterhin auch in Deutschland aktiv. Der türkische Staatsbürger Kurnaz beteuerte den Berichten der
beiden Magazine zufolge seine Unschuld und bat seine Familie, für ihn
zu beten. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) sagte
laut "Spiegel" der Familie in einem persönlichen Schreiben zu, sich
um das Schicksal des in Deutschland geborenen jungen Mannes zu
kümmern. Da Kurnaz nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitze,
seien seine Möglichkeiten "allerdings sehr eingeschränkt". In
Guantanamo werden inzwischen 300 mutmaßliche Taliban- und
Bin-Laden-Kämpfer festgehalten.
El-Kaida-Ableger in 50 Ländern
Tophoven sagte der "Bild am Sonntag", El-Kaida-Ableger gebe es
immer noch in mehr als 50 Ländern. "In ganz Europa existieren
Schläferzellen, auch in Deutschland", warnte der Terrorismusexperte
vor neuen Anschlägen. Laut Tophoven gehen das deutsche
Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz davon aus, dass in
Deutschland im Untergrund lebende Mitglieder der Organisation von
Osama bin Laden weiterhin "fähig und bereit sind, terroristische
Aktionen durchzuführen".
Die Terroristen würden langfristig planen. "Alle großen Anschläge
der El Kaida von 1995 bis 2001 wurden mit einer Distanz von ein bis
zwei Jahren verübt", gab Tophoven zu bedenken. Nach seinen Angaben
wurde bisher kein einziger Terrorist aus dem inneren Zirkel
geschnappt. El Kaida organisiere sich nun überall auf der Welt neu
und bereite weitere Terrorakte vor, sagte Tophoven dem Bericht
zufolge.
Von der in Deutschland verbotenen islamistischen Vereinigung
"Kalifatsstaat" geht dagegen nach einer Entscheidung des deutschen
Bundesgerichtshofes (BGH) derzeit keine akute Terrorismusgefahr aus.
Nach einem Bericht des "Spiegel" untersagte der BGH deswegen die
Beschlagnahme von Telefonrechnungen der Organisation des Kölner
Islamisten Metin Kaplan. Die Rechnungen waren zusammen mit Fotos und
Plakaten, die bewaffnete Männer in Afghanistan zeigten, in der
Hanauer Wohung eines Kaplan-Statthalters gefunden worden.
Generalbundesanwalt Kay Nehm wollte laut "Spiegel" in einem von
der Staatsanwaltschaft Hanau übernommenen Terrorismusverfahren die
Rechnungen mit Blick auf mögliche "terroristische Netzwerke"
auswerten. Die im Dezember vergangenen Jahres verbotene
Kaplan-Organisation gilt als verfassungsfeindlich und propagiert
einen Gottesstaat islamischer Prägung. Die Organisation unterhielt in
den 90er Jahren Kontakte zur Terrorgruppe von Osama bin Laden. (APA)