Wirtschaft
Aus für "freie Dienstnehmer"
28.000 Werkverträge müssen schon sehr bald geändert werden - Ab 2003 soll es keine freien Dienstverträge mehr geben
Wien - Nach Ostern wird es
ernst mit der Abschaffung der
„Freien Dienstnehmer“. Dann
nämlich verlässt ein umfassender Begutachtungsentwurf
das Finanzministerium, der
das Aus für diese „Zwitterform“ der Beschäftigung festschreiben soll. Die geschätzten rund 28.000 „Freien“ sollen dann entweder als klassische Dienstnehmer angestellt
oder in die Selbständigkeit
entlassen werden.Heftiges Tauziehen
Experten geben sich derzeit
noch äußerst bedeckt. Dennoch sickerte durch, dass über
die Materie zur Zeit noch ein
heftiges Tauziehen zwischen
Finanz- und Sozialministerium geben soll. Warum sich die
beiden, von FP-Ministern gelenkten Häuser nicht einigen
können? Wird der freie
Dienstnehmer abgeschafft,
verliert die marode Allgemeinen Sozialvericherungsgellschaft (ASVG) tausende Beitragszahler, was Sozialminister Haupt weh tun muss. Werden die bisher als „Freie
Dienstnehmer“ beschäftigten
zu Selbständigen erklärt, die
ihre Werke von zu Hause aus
zuliefern, wandern ihre Beiträge in die Gewerbliche Sozialversicherungsgesellschaft
(GSVG) ab.
Frommer Wunsch
In der Arbeiterkammer geht
man davon aus, dass von den
28.000 Leuten nur 8000 tatsächlich potenzielle Unternehmer sind, der große Rest
müsste nach Abschaffung der
umstrittenen „Werkvertragsregelung“ zu echten Angestellten mutieren. Ein frommer Wunsch, meint der Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger im Gespräch mit dem
STANDARD. Er geht davon aus,
„dass das Gros zur Neuen
Selbstständigkeit verdonnert
wird.“ Dadurch aber könnten
der ASVG bis zu 22 Millionen
Euro an Beiträgen entgehen.
Mehr Unternehmer
Die Arbeiterkammer und
der Hauptverband der Sozialversicherungsträger befürchten, dass die klare Definition
von Arbeitnehmern ausgehöhlt wird. Nicht nur derzeit
freie Dienstnehmer sondern
auch echte Angestellte könnten zum „Unternehmerwagnis“ abgedrängt werden. Dies
deshalb, weil sie zwar auf die
Betriebsmittel ihres Auftraggebers angewiesen sind, die
Beitragslast aber zur Gänze
auf ihren Schultern ruht.
Freie Dienstnehmer zahlen
derzeit 13,5 Prozent des Bruttohonorars an Beiträgen in die
ASVG ein, die Auftraggeber
17,2 Prozent. Das war den Betrieben schon bisher zu viel,
obwohl dies noch immer billiger kommt als die echten
Dienstnehmer. Für diese sind
21,65 Prozent zu zahlen.
Lenkungseffekte nicht eingetreten
Ein weiteres Motiv für die
Änderung: Die 1996 angestrebten Lenkungseffekte sind
nicht eingetreten, im Gegenteil: Die „Werkvertragler“, die
man in ein Angestelltenverhältnis hieven wollte, wurden
nicht angestellt.
Dafür aber wurden zunehmend mehr Angestellte gekündigt und als „Freie Dienstnehmer“ weiter beschäftigt.
Die arbeitsrechtlich „in der
Luft hängenden“ Zeitungskolporteure, der eigentliche
Auslöser der Regelung, waren
komplett ausgenommen worden.
Die angepeilte Neuregelung
hätte für die Unternehmer
nun den Vorteil, dass nicht
kalkulierbare Beitragsnachzahlungen künftig vom Tisch
wären. Denn in der Praxis hätten Freie Dienstnehmer ihre
Zwitterstellung zwischen
selbstständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit
häufig eingeklagt, heißt es in
der FPÖ. (Monika Bachhofer, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe 23.3.2002)