Bern - Die Schweiz hat dazu beigetragen, dass Nazi-Deutschland 1933/35 praktisch aus dem Stand heraus in die Massenproduktion von Rüstungsgütern einsteigen konnte. Diesem Umstand messen die Forscher der Bergier-Kommission mehr Bedeutung zu als den eigentlichen Kriegsmateriallieferungen während des Krieges. Zwischen 1939 und 1945 führte die Schweiz für über eine Milliarde Franken Waffen und Munition (bis Kaliber 20mm), Uhrwerkzeitzünder und militärische Richtoptik aus, davon für rund 820 Millionen nach Deutschland, Italien und Rumänien. Inklusive Unter- und Zulieferanten waren einige hundert Firmen involviert. Wichtiger als die Lieferungen während des Krieges waren nach Ansicht der Bergier-Forscher die schweizerischen Leistungen in der Zeit vor 1933, als die Schweiz - wie etwa Schweden und die Niederlande - zu einem Standort der verdeckten deutschen Rüstung wurde. "Ohne diese Vorleistung wäre das nationalsozialistische Deutschland nicht in derart kurzer Zeit in der Lage gewesen, einen gesamteuropäischen Konflikt zu entfesseln", heißt es im Bergier-Bericht "Schweizer Rüstungsindustrie und Kriegsmaterialhandel zur Zeit des Nationalsozialismus". Sitz: die Schweiz Die wichtigsten exportfähigen Rüstungsunternehmen der Schweiz gingen auf deutsches Kapital und deutsche Technologie zurück. Sie waren nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund der Versailler und anderer Rüstungskontrollbestimmungen vorübergehend ins neutrale Ausland ausgewichen. Die Schweiz fühlte sich an diese Abmachungen nicht gebunden. Das Unterlaufen der Exportbeschränkungen war bis etwa 1938 der wichtigste Wettbewerbsvorteil für die Schweiz. Und die Behörden schauten wohlwollend zu. Ab 1940 trugen gut eingespielte informelle Geschäftskontakte und staatlichen Exportkredite das Ihre bei. Mit diesen Staatskrediten von insgesamt rund 1,3 Mrd. Franken konnten Schweizer Unternehmen ohne Zahlungsrisiko an die Achsenmächte exportieren. Den Achsenmächten erlaubten diese Kredite, ihre Importbedürfnisse für die Rüstung ohne Devisenverluste über eine gezielte Verschuldung im Ausland zu finanzieren. Fließende Grenzen zwischen rechtlich Zulässigem und Illegalität Überrascht erklären sich die Forscher vom Ausmaß des politischen Lobbyings, der Bestechung, Intrigen und Absprachen aller Art, mit denen die Marktkräfte ausgeschaltet wurden. "Die Grenzen zwischen rechtlich Zulässigem und Illegalität waren fließend." Auf die Dauer des Krieges hatten die schweizerischen Waffenlieferungen und die Finanzierung strategischer Rohstoffe nach Ansicht der Forscher keinen nachweisbaren Effekt. Zur landeseigenen militärischen Ausrüstung trugen diese Betriebe nach der Untersuchung nicht viel bei. Zumindest solange auf den Exportmärkten weit höhere Preise erzielt wurden, bestand kein Interesse, an die Schweizer Armee zu liefern. Das Haager Neutralitätsrecht wurde dem Bericht zufolge zwischen 1939 und 1944 sieben Mal gebrochen. Es verbietet neutralen Staaten Kriegsmaterial-Exporte aus staatlicher Produktion an Kriegsführende. Dennoch lieferten zum Beispiel die Eidg. Pulverfabrik Wimmis und die Eidg. Munitionsfabrik Altdorf während des ganzen Krieges Pulver und Patronenhülsen an Oerlikon-Bührle für Lieferungen an Deutschland und Finnland. (APA/sda)