David Letterman bleibt bei CBS, Oprah Winfrey hört 2006 endgültig auf, dazwischen werden Verträge verlängert, gewechselt oder aufgekündigt. Die amerikanische Talkshow-Industrie erlebt unruhige Zeiten.
von Doris Priesching
New York - Von der Kellnerin in der Kantine, dem Portier am Eingang bis hin zum letzten Büroboten: Sie alle hätten von den Verhandlungen des Talkmasters David Letterman mit der ABC gewusst. Alle bis auf einen: Ted Koppel, dessen Nachrichtenmagazin "Nightline" durch die "Late Show" ersetzt werden sollte. Ted Koppel habe bestimmt als Allerletzter davon erfahren. Ganz so krass, wie Entertainment Weekly in einer ironisch gemeinten Umfrage die Abwerbungsgespräche des 54-jährigen CBS-Moderators Letterman sehen will, wird es sich wohl nicht abgespielt haben. Macht, Einfluss und Spitzengagen der plötzlich in Bewegung geratenen Branche kamen allerdings selten so deutlich zutage wie im Zuge dieser ungewöhnlich heftig geführten Diskussion.


Großzügiges Angebot

31 Millionen Dollar (36 Millionen Euro), ein Studio am Times Square sowie Produktionskosten von über 40 Millionen Dollar hatte die ABC Letterman geboten. Doch der lehnte ab, weil er erstens nicht für die Absetzung der "Nightline" verantwortlich sein und zweitens seinem langjährigen Arbeitgeber CBS die Treue halten wolle. Der Sender zeigte sich erkenntlich und legte auf die 31 Millionen noch eine halbe drauf. "Ich weiß, das klingt gut in euren Ohren, aber für mich sind jetzt keine Ferien in Disney World mehr drin", witzelte Letterman über seinen Entschluss.

Late-Night-Shows sind in Amerika Schlüsselbranchen des TV-Geschäfts, weil sie die kaufkräftige Gruppe der 18-bis 49-jährigen Seher um sich zu scharen pflegen. Internationale Showgrößen reichen einander die Türklinke, und seit dem 11. September gesellt sich höchste politische Prominenz zum Staraufgebot hinzu.

Eine Liga tiefer überbieten einander die TV-Sender ebenfalls in attraktiven Angeboten, Verträge werden verlängert, gewechselt oder aufgelöst. Larry King versprach bereits im Jänner, vier weitere Jahre bei CNN zu bleiben, und wurde dafür mit insgesamt 56 Millionen Dollar belohnt. Conan O'Brien gibt sich mit acht Millionen Dollar jährlich zufrieden, ein Vierjahresvertrag sorgt auch bei ihm für Geborgenheit. O'Brien, dem die NBC zu Beginn seiner Show für exakt 13 Wochen das Vertrauen auszusprechen gewillt war, führte zuletzt Abwerbungsgespräche mit Fox Network.

Weniger rosig mutet die Zukunft für das Format des "Daily Talk" an. Gleich vier der quotenstärksten Shows beenden demnächst ihren Sendebetrieb. Ohne nähere Begründung beschloss Nachmittagstalkerin Sally Jessica Raphael, ihre Show einzustellen. Gleiches gilt für Rosie O'Donnell, Jenny Jones und - natürlich - Oprah Winfrey.

Die Ankündigung der "Queen of Chat", 2006 nach 20 Jahren Nachmittagstalk aufzuhören, sorgte innerhalb der ohnehin schon sensibilisierten Fernsehgemeinde für weiteren Aufruhr. Die Show der 48-jährigen Kalifornierin wird von 280 Sendern in den USA und in 100 Ländern weltweit gezeigt. Winfrey gehört zu Amerikas einflussreichsten Persönlichkeiten der Showbranche. Sie besitzt einen Fernsehkanal, eine Zeitung und einen Buchklub, mit dem sie Bestsellerlisten kontrolliert. Einmal noch habe sie ihren Vertrag verlängert, danach sei aber Schluss. Gründe wollte auch sie keine nennen.

Mittlerweile ist die amerikanische Presse aber schon bei einem alt bekannten, oft und gern diskutierten Problem angelangt: Welche Talkshow ist die bessere? Die "Late Show" von Letterman oder die "Tonight Show" seines Erzrivalen Jay Leno? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.03. 2002)