Österreich
18 Jahre Haft für "riesige" Drogengeschäfte
58-Jähriger organisierte Schmuggel von insgesamt 153 Kilogramm Heroin - Richter: "Damit hätte ein ganzer Landstrich abhängig gemacht werden können!"
Wien - Ein deutliches Signal gegen die Suchtgiftkriminalität
hat am Montag ein Wiener Schöffensenat gesetzt: Im
Straflandesgericht wurde mit Messud Selmanovic eine "große Nummer" im
internationalen Drogenhandel aus dem Verkehr gezogen und zu 18 Jahren
Haft verurteilt. Der 58-Jährige, nach außen unscheinbare pensionierte
Schneidermeister aus Wien soll nach Erkenntnissen der Drogenfahnder
zentrale Schaltstelle einer vor allem von Großbritannien aus
operierenden Bande gewesen sein. Konkret soll er den Schmuggel von
153 Kilogramm Heroin organisiert haben, indem er geschickt zwischen
den Lieferanten, Kurieren und Verteilern vermittelte. Anfang der neunziger Jahre saß Selmanovic in England bereits zehn
Jahre im Gefängnis, nachdem man ihn mit zwei Dutzend Kilogramm Heroin
aufgegriffen hatte. Dort lernte er einen türkischen "Paten" kennen,
und nach seiner Enthaftung wurde der gelernte Schneider
offensichtlich für dessen Organisation tätig.
Im Juli 1999 wickelte Selmanovic zunächst den Transport von 108
Kilogramm Heroin (Reinheitsgehalt: 51 Prozent) von der Türkei nach
Großbritannien ab. Das Gift konnte von den Behörden in einem roten
Vauxhall am Stadtrand von London sichergestellt werden. Darüber
hinaus legte Staatsanwältin Petra Stranzinger dem 58-Jährigen noch
zwei weitere "Deals" zur Last: Im Jänner 2000 soll er sich in
führender Funktion am Schmuggel von 15 Kilogramm von Serbien nach
England, drei Monate später an einer hochwertigen 30 Kilo-Lieferung
nach Ungarn beteiligt haben.
Knapp ein Jahr nahm der Wiener Strafprozess in Anspruch, in dem
sich Selmanovic als Informant des britischen Zolls bezeichnet hatte,
der bei der Aufklärung verschiedener Straftaten mitgewirkt habe.
Zudem sei er als verdeckter Fahnder für die deutsche und die
österreichische Polizei tätig geworden. Drogenhändler sei er keiner,
beteuerte der 58-Jährige.
"Übergroßen Mengen"
Er wurde allerdings von den Ermittlungsergebnissen der englischen,
weiterer ausländischer und nicht zuletzt der österreichischen
Behörden massiv belastet. Mittels Telefonüberwachung und
Rufdaten-Rückerfassung ließen sich unter anderem zahlreiche Gespräche
nachweisen, in denen es um "Passagiere" oder "Tickets" bzw.
"Friseure" ging - offenkundig Codewörter für Heroin bzw. Kuriere.
Das Gericht hatte keinen Zweifel an der Richtigkeit der Anklage.
Selmanovic habe mit "übergroßen Mengen" gehandelt, er sei ein
"offensichtlich unverbesserlicher und rücksichtloser Mensch", meinte
der Vorsitzende des Schöffensenats im Hinblick auf dessen Vorleben.
"Mit dieser Menge hätte ein ganzer Landstrich abhängig gemacht werden
können", sagte Richter Gustav Rothmayer. Bei einem Strafrahmen von
maximal 20 Jahren erscheine die verhängte Strafe "daher noch
angemessen", hieß es.
Die 18 Jahre dürften die höchste Strafe sein, die bisher von einem
österreichischen Gericht über einen Drogendealer verhängt worden ist.
Selmanovic meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.
Auch die Staatsanwältin legte gegen das Strafausmaß Rechtsmittel ein.
Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.
Auch für drei Mitangeklagte setzte es - vorerst nicht
rechtskräftige - langjährige Haftstrafen: Uykan B., der am
Zustandekommen des Ungarn-Geschäfts wesentlich beteiligt gewesen war,
bekam dafür zehn Jahre. Zwei weitere Männer, die je drei Kilogramm
nach England geschafft hatten, erhielten je dreieinhalb Jahre. Der
Vorsitzende nannte sie in der Urteilsbegründung "relativ kleine
Rädchen". (APA)