Österreich
Geistheiler und "Bauernopfer"
Erste Runde im Schweinemast-Prozess in Graz - Tierarzt untergetaucht
Graz - "Wenn die Sauen z'wider waren auf die Ferkel, haben der Doktor und ich sie mit
Bachblüten auf Würfelzucker
beruhigt. Nur bei Grippe oder
Lungenentzündungen hat das
nicht den gewünschten Erfolg
gebracht", erzählt ein 53-jähriger Bauer aus Kirchberg in
der Steiermark. Er stand als
einer von sechs Angeklagten
im Zusammenhang mit dem
Schweinemastskandal wegen
Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz, illegalen Besitzes von Tierarzneimitteln und
Gefährdung des Tierbestandes
am Freitag in Graz vor Gericht.Mit dem siebenten Angeklagten, einem Tierarzt, der
seit Jahren ohne Zulassung
und Praxis mit Homöopathie
und als "Geistheiler" arbeitete, verband den Landwirt eine
Freundschaft. Dem Schweinezüchter wird vorgeworfen,
die Medikamente, die der Arzt
bei einer Pharmafirma bestellte, weiterverkauft zu haben.
Doch der ehemalige Arzt erschien nicht vor Gericht.
Wo er denn sei, fragt Richter
Karl Buchgraber, und bekommt verschiedene Auskünfte. "Er war gestern Abend
noch in Italien und wollte
heute hier sein", erzählt der
befreundete Bauer, der versucht, den Verschwundenen
per Handy zu erreichen. "Es
ist ausgeschaltet", berichtet er
enttäuscht. "Er dürfte nach
Kanada ausgewandert sein",
meldet sich da ein Kripobeamter aus dem Zuschauerraum.
Mit den Antibiotika, Hormonen und teilweise verbotenen Arzneimitteln hatten die
Landwirte ihre Tiere ohne
ärztliche Aufsicht behandelt.
Der Staatsanwalt fragt jeden
der sechs, zwei Bauern, eine
Bäuerin, einen Sauschneider,
der Schweine bei Kastrationen
mit illegalen Mitteln betäubte,
und einen Vertreter von Futtermitteln für Geflügel, ob sie
nie befürchtet hätten, dass sie
als Laien Tierseuchen nicht
erkennen und so zu deren
Verbreitung beitragen hätten
können.
Keiner der Angeklagten
fand das besonders ungewöhnlich. Einer der Verteidiger meint gar: "Das war jahrelang so Praxis, die Angeklagten sind die Bauernopfer dieser Geschichte."
Nur ein Angeklagter bekennt sich in allen Anklagepunkten schuldig. "Es tut mir
Leid", sagt er leise, "die Tochter hat die Magersucht, die
Schweine die Grippe, da ist
viel auf uns zugekommen."
Der Futtermittelvertreter bekennt sich nicht schuldig,
obwohl drei der Mitangeklagten ihn belasten. Der Prozess
wurde vertagt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17. März 2002)