Wien - Bei keinem anderen Verbrechen klaffen offizielle Statistik und Dunkelziffer so weit auseinander wie bei Frauen- und Kinderhandel. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hat im Vorjahr 5887 Fälle dokumentiert - in ganz Europa. Die tatsächliche Zahl wird von der UNO auf eine Million geschätzt. Fast immer stammen die Opfer aus Osteuropa, wo sie von organisierten Keilern in den Westen „vermittelt“ werden. Vielen werden Karrieren als „Tänzerinnen“ versprochen, die meisten landen im Rotlichtmilieu.Frauen aus Osteuropa an Bordelle vermittelt Auch der ehemalige Eiskunstläufer Wolfgang Schwarz (54), 1968 Olympiasieger in Grenoble, dürfte in dieser Sparte des Menschenhandels mitgemischt haben. Wie berichtet, soll er zumindest sieben junge Frauen aus Osteuropa an Bordelle in Wien, Salzburg und Graz vermittelt haben. Seine mutmaßliche Komplizin, Nardine A. aus Armenien, soll die aus Litauen, Russland, Weißrussland und der Ukraine stammenden Frauen mit der Aussicht auf lukrative Jobs nach Österreich gelockt haben. Beide wurden Donnerstag in U-Haft genommen. Laut Sicherheitsbürochef Maximilian Edelbacher habe Schwarz ein Teilgeständnis abgelegt. Ein weiterer mutmaßlicher Mittäter, ein Österreicher russischer Herkunft, wurde auf freien Fuß gesetzt, er dürfte nur Dolmetschfunktion gehabt haben. Zu klären sei noch, ob Schwarz vom „Lohn“ der Frauen finanziell profitiert habe. Es hieß, die Prostituierten hätten pro Woche einen Pauschalbetrag von 1000 US-Dollar abliefern müssen. Berufsgruppe „Showtänzerinnen“ Überprüft wird auch noch, welche Rolle Schwarz beim Beschaffen der Visa für die Frauen gespielt hat. Entsprechende Regelungen werden in Österreich allerdings recht großzügig gehandhabt, zumindest was die Berufsgruppe „Showtänzerinnen“ betrifft. Sie fallen seit der Novelle zum Fremdengesetz von 1998 uner den Sammelbegriff Künstler und Künstlerinnen. Und deren Anträge auf Aufenthalt österreichischen Botschaften im Innenministerium erteilt werden. Als Hilfestellung hat das Ministerium eine Liste von „Auftrittslokalitäten“ erstellt, die auch rund 100 heimische Sexclubs beinhaltet. Die Rotlichtszene in Österreich hat sich generell in den vergangenen Jahren radikal verändert. „Heute gibt es in Wien nur mehr 560 gemeldete Prostituierte, vor zehn Jahren waren es 2500“, sagt Kriminalist Edelbacher. Das Gewerbe sei in die Illegalität abgewandert, und was in unseriösen Begleitagenturen oder Massagesalons geschehe, sei praktisch unkontrollierbar. Fälle von Frauen, die als „Sexsklavinnen mit Gewalt zur Prostitution“ gezwungen werden, seien aber eher selten. Gestzliche Möglichkeiten sexuelle Ausbeutung zu verhindern Die gesetzlichen Möglichkeiten, die sexuelle Ausbeutung von Migrantinnen zu verhindern, sind nicht gerade umfassend. So gibt es bei spielsweise in Österreich einen Erlass, wonach Ausländerinnen lediglich ein befristeter Aufenthalt gewährt werden kann, wenn sie gegen Schlepper oder Zuhälter aussagen. Danach werden die meisten abgeschoben. Aber gerade diese Aussicht bewegt viele dazu zu schweigen. Hilfsorganisationen fordern seit langem, ausländischen Kronzeuginnen unbefristeten Aufenthalt zu gewähren. Außerdem solle die Regelung gesetzlich verankert werden. (Michael Simoner, DER STANDARD Print-Ausgabe 15.März 2002)