Augsburg - In Oscar Wildes Buch "Das Bildnis des Dorian Gray" darf die Hauptfigur ewig jung bleiben. Nur das Porträt altert. Doch der Preis ist hoch: Dorian Gray verkauft dafür seine Seele dem Teufel. Vom "Dorian-Gray-Syndrom" sprechen PsychotherapeutInnen heute, wenn sich das Ideal jugendlichen Aussehens zur Zwangsvorstellung entwickelt: Die PatientInnen beschäftigen sich nur noch mit ihrem Äußeren, finden sich unattraktiv und kämpfen mit Life-Style-Medikamenten verzweifelt gegen das Alter.Ernste Psycho-Störung möglich "Dahinter kann eine ernste psychische Störung stecken, die immer mehr um sich greift und möglicherweise psychotherapeutisch behandelt werden muss", sagt der Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Peter Falkai. Der verständliche Wunsch nach Jugendlichkeit werde bei den Betroffenen zur Besessenheit. Ganz normale Alterungsprozesse erschienen als persönliche Katastrophe. Jede Haar, das am Kamm hängen bleibe, werde zu einem Zeichen des Verfalls. Jugend- und Fitnesskult Nach Angaben der Fachgesellschaft leiden vor allem Menschen zwischen 20 und 50 Jahren unter diesem Syndrom. Auslöser seien der Jugend- und Fitnesskult und der wachsende Konkurrenzdruck in der Gesellschaft. "Die Tendenz ist steigend, betroffen sind auch immer mehr Männer", sagt Burkhard Brosig von der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universität Gießen, der das Syndrom als einer der ersten Wissenschafter erforscht hat. Narzisstische Störung Moderne Dorian Grays verkaufen im Kampf gegen das Altern zwar nicht ihre Seele dem Teufel, aber sie greifen oft zu so genannten Life-Style-Medikamenten etwa gegen Haarausfall und Faltenbildung oder suchen ihr Heil in kosmetischen Operationen. "Solche Menschen leiden häufiger unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung: Sie sind übermäßig stark auf sich selbst fixiert, fürchten sich vor dem körperlichen und psychischen Reiferwerden", sagt Brosig. Depressionen bis zu Suizid Viele der PatientInnen sind nach Angaben der ExpertInnen zugleich von psychosomatischen Störungen und Depressionen bis hin zu Suizidabsichten betroffen. Oft steckten tiefer liegende Ängste und Krisen dahinter, die sich - forciert durch den Jugendlichkeitskult - im Dorian-Gray-Syndrom ausdrückten, erklären die TherapeutInnen. Die PatientInnen hätten die Illusion, ihre Probleme seien gelöst, wenn ihre vermeintlichen körperlichen Schwachstellen beseitigt seien. Falkai kritisiert Haus- und FachärztInnen, die nach wie vor viel zu häufig die gewünschten Life-Style-Medikamente verschrieben, ohne mögliche psychische Ursachen zu beachten. "Doch damit wird der Leidensdruck höchstens kurzfristig gemildert", betont der Professor. Eine echte Hilfe böten dagegen so genannte psycho-dynamische Behandlungen, Verhaltens- oder Gesprächstherapien. Die Patienten lernten auf diese Weise, sich und ihr Alter zu akzeptieren. (APA/AP)