Nahost
Israels Armee zieht sich aus besetzten Städten zurück
Sharon gibt Druck der USA nach - Arafat spricht von "Trick"
Ramallah - Nach dem Beginn der
Vermittlungsbemühungen des US-Sondergesandten Anthony Zinni hat
Israel am Freitag seine Truppen aus Ramallah und zwei weiteren
Palästinenser-Städten im Westjordanland abgezogen. Die Armee habe auf Anweisung der israelischen Regierung ihre
Truppen aus Ramallah, Kalkilja und Tulkarem abgezogen, hieß es in
einer Erklärung der Armee. Die Truppen würden außerhalb der
Stadtgrenzen in Position gebracht. Aus militärischen Kreisen
verlautete, die Armee halte weiter ihre Stellungen in den
Außenbezirken der Palästinenser-Städte Bethlehem, Nablus, Jenin und
Hebron.
Größte Offensive
Bereits in der Nacht zum Freitag waren Dutzende Panzer aus
Ramallah abgezogen. Israel war am Dienstag mit rund 150 Panzern in
die Stadt vorgerückt. Die Offensive war die größte Israels seit dem
Sechs-Tage-Krieg 1967. Die USA und die Europäische Union (EU) hatten
sich hinter die Forderung der Palästinenser gestellt, die einen
sofortigen Abzug Israels gefordert hatten.
Bei erneuten Zwischenfällen im Gazastreifen erschoß die
israelische Armee zwei Palästinenser erschossen. Nach Militärangaben
tötete eine Armeepatrouille am Freitagmorgen einen bewaffneten
Palästinenser, der in die jüdische Siedlung Dugit im Norden des
Gazastreifens eindringen wollte. In der Nähe von Rafah im Süden des
Gazastreifens tötete die israelische Armee einen zweiten
Palästinenser, wie palästinensische Sicherheitsbeamte mitteilten. Die
Umstände des Vorfalls waren zunächst unklar.
Vorwurf an Sharon
Palästinenser-Präsident Yasser Arafat bezeichnete den israelischen
Abzug als Trick. Er warf in einem Reuters-Interview dem israelischen
Ministerpräsidenten Ariel Sharon vor, nicht ernsthaft an einer
Friedenslösung interessiert zu sein. Sharon akzeptiere zwar offiziell
den Plan des ehemaligen US-Senators George Mitchell, der eine
Waffenruhe und die Rückkehr zu Verhandlungen vorsieht. Tatsächlich
wolle der israelische Regierungschef aber seine militärische Pläne
gegen die Palästinenser vorantreiben, sagte Arafat. Er will am
Freitag mit Zinni zusammentreffen und diesen nach eigenen Angaben
dazu drängen, sich für eine von den USA überwachte Waffenruhe
einzusetzen. Die USA müssten ihren Druck auf Israel erhöhen.
Der ehemalige US-General war am Donnerstag zu seiner dritten
Vermittlungsreise seit November in Israel eingetroffen. Bisher waren
seine Bemühungen um eine Beilegung des seit mehr als 17 Monate
anhaltenden Konflikts von weiteren Gewalttaten torpediert worden.
Hardliner auf beiden Seiten lehnen eine friedliche Beilegung des
Konflikts ab.
Sharon war am Donnerstag mit Zinni zusammengetroffen. Das
Wichtigste sei eine Waffenruhe, sagte Sharon. Er hoffe, dass dies in
gemeinsamen Anstrengungen erreicht werde. Sharon hatte vor gut einem
Jahr sein Amt mit dem Versprechen angetreten, den
Palästinenseraufstand notfalls mit aller Härte niederzuschlagen. Ein
ums andere Mal schickte er die Armee in die Palästinensergebiete, die
massiv gegen militante Palästinenser vorging, auch mit gezielten
Tötungen. Der Konflikt eskalierte jedoch stets weiter. Die letzten
Wochen waren die blutigsten seit Beginn des Aufstands der
Palästinenser im September 2000. Seit damals sind mindestens 1.063
Palästinenser und 344 Israelis in den Unruhen getötet worden.
Der Konflikt im Nahen Osten steht auch im Mittelpunkt der am
Freitag beginnenden Beratungen des EU-Gipfels in Barcelona. Der
Koordinator der EU-Außenpolitik, Javier Solana, sagte am Donnerstag,
die Staats- und Regierungschefs der EU würden in Barcelona eine
eindeutige Botschaft an die Konfliktparteien senden. Sie müssten zur
Stabilisierung des Friedensprozesses beitragen. Israel solle sich
zurückziehen und die Palästinenser müssten die "terroristische
Gewalt" bekämpfen. (APA/Reuters)