Inland
209er-Aufhebung noch nicht fertig
Höchstgericht über Mindestalter weiterhin uneins
Wien - Man habe die Angelegenheit "behandelt", sei damit
aber "noch nicht fertig": Laut
Ludwig Adamovich, Präsident
des Verfassungsggerichtshofes (VfGH), herrscht im
Höchstgericht am Ende der
Frühjahrssession noch keine
eindeutige Meinung über den
neuerlichen Antrag auf Aufhebung des umstrittenen
Schwulenmindestalter-Paragrafen 209 StGB.EU-Richtlinien und UNO-
Menschenrechtskomitee-Protesten zum Trotz verbietet der
"209er" nach wie vor Beziehungen von über 19-jährigen
mit unter 18-jährigen Männern. Vergangenes Jahr hatte
das Oberlandesgericht Innsbruck den VfGH ersucht, den
Paragrafen zu streichen.
Das Höchstgericht wies dieses Begehren ab. Aus großteils
formalen Gründen, weil schon
im Jahr 1989 ein Aufhebungsantrag "mit gleicher Begründung" eingereicht worden sei.
Daraufhin brachten die
Innsbrucker Richter erneut
drei Bedenken ein, zwei davon
inhaltlich neu: Erstens, dass
das "209er"-Mindestalter
Schwulen und Lesben ungleich behandle. Zweitens,
dass der 209er ungleiche Behandlung von Hetero- und
Homosexuellen zur Folge habe. Sowie dass er, drittens,
Schwulenpaare im Laufe der
Jahre "wechselnder Strafbarkeit" aussetze. "Ein 15-Jähriger, der mit einem 17-Jährigen
in Beziehung steht, benimmt
sich gesetzeskonform. Sind
beide zwei Jahre älter geworden, sind sie strafbar, wieder
zwei Jahre später tun sie dem
Gesetz erneut Genüge", erläutert der Jurist Helmut Graup_ner das "209er"-Problem.
Über den neuen Antrag
werde man "wahrscheinlich
bis Ende der Sommersession
im Juni" befunden haben,
meint Höchstrichter Adamovich nun. Eine Gemächlichkeit, die bei dem Vorsitzenden
der SPÖ-internen Homosexuelleninitiative Soho, Günter
Tolar, auf Kritik stößt: "Ich
finde es erstaunlich, dass ein
menschenrechtlich klares
Verfahren so lange dauert." Interessant sei, dass Adamovich
ganz bewusst das Wort ,vertagen‘ vermeide. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 3. 2002)