Standard: Israel hat Arafat erlaubt, Ramallah zu verlassen. Ahmed Tibi (Berater Arafats): Es ist eine irrelevante Entscheidung. Israel zerdrückt jetzt Ramallah, hat alle Büros des Präsidenten zerstört, in Gaza, in Jenin und Bethlehem. Es ist lächerlich zu sagen, dass er sich im Westjordanland bewegen kann - etwa zwischen den Panzern? Aber er darf nicht ins Ausland. Wichtig ist nicht diese Entscheidung, sondern die Besetzung und die brutalen Aktivitäten der israelischen Armee im Gazastreifen und in Ramallah. Standard: Arafat hat also keine konkreten Pläne, jetzt irgendwohin zu fahren? Tibi: Können Sie sich vorstellen, dass Arafat Ramallah verlassen wird, wenn die israelische Armee es besetzt hat? Das Thema ist jetzt nicht die Bewegung von Arafat, sondern das Leben der palästinensischen Menschen. Standard: Jetzt wird aber gerade der Arabergipfel in Beirut vorbereitet. Wird Arafat dort hinfahren? Tibi: Ich weiß nicht, ob Sharon Arafat erlauben wird, zum Gipfel zu fahren, aber ein Gipfel ohne Arafat wird kein Gipfel sein - es wird nichts sein. Und ich denke, die arabischen Führer sollten aus Rücksicht auf ihre eigene Würde nicht zusammenkommen, wenn Arafat nicht dort ist. Standard: Jetzt wird Anthony Zinni wieder zu vermitteln versuchen. Gibt es durch die kleinen Gesten, die Sharon gemacht hat, trotzdem bessere Chancen auf einen Waffenstillstand? Tibi: Die Palästinenser sind bereit zu diesen Verhandlungen, aber inzwischen hat die israelische Armee eine Eskalation verursacht - ein grausamer Empfang für Zinni, um ihm nachher sagen zu können, wir sind flexibel, wir sind bereit, uns aus Ramallah zurückzuziehen. Ich sage klar: Diese feindseligen Attacken gegen palästinensische Flüchtlingslager, diese Massaker, waren nicht möglich ohne grünes Licht der US- Administration, sie ist Teil dieser Aggression. Standard: Was hatte es rückblickend für einen Sinn, Arafat mehr als vier Monate in Ramallah festzuhalten? Zalman Shoval (Berater Sharons): Das hat einen großen Sinn gehabt - einerseits moralisch für die Palästinenser, andererseits ist Arafat auch an der Spitze einer Terrororganisation, und die Beschränkung seiner Bewegung hat den Terroristen doch gewisse Probleme gemacht. Alle Mordtaten geschehen auf Anweisung von Arafat, er konnte sie verhindern und wollte es nicht. Aber wir haben uns verpflichtet, ihn freizulassen, sobald er die Mörder von Minister Zeevi ins Gefängnis bringt. Standard: Wenn das eine Kraftprobe war, wer hat gewonnen: Israel, weil seine Bedingungen erfüllt wurden, oder Arafat, weil Sharon ihn doch freilassen musste? Shoval: Wir sind nicht in einem Schönheitswettbewerb mit Arafat. Die Frage ist, wie können wir den Terror kleinkriegen, und wie kommen wir zurück an den Verhandlungstisch. Arafat hat nachgegeben, weil er keinen Ausweg hatte. Standard: Nun wird Anthony Zinni wieder vermitteln - Israel sagt, es will einen Waffenstillstand, trotzdem sind die militärischen Operationen intensiv wie nie zuvor. Shoval: Nicht trotzdem, sondern deshalb. Weil wir einen Waffenstillstand erhoffen, muss es Arafat noch klarer sein als zuvor, dass er ihn diesmal einhalten muss. Denn Zinni war ja schon zweimal hier, jedes Mal wurde er von Arafat beschummelt. Vielleicht sind die Chancen heute besser, ich würde sagen etwa 50 Prozent, dass dieses Mal für einige Zeit Ruhe eintritt. Die Aktionen gegen den Terror werden auch nach Zinni weitergehen, sollten die Palästinenser ihre Verpflichtungen nicht einhalten. Standard: Wird man Arafat Ende März zum Arabergipfel nach Beirut fahren lassen? Shoval: Wenn die arabischen Staaten es mit der saudischen Initiative ernst meinen, hat die Frage, ob Arafat dort ist oder nicht, wenig Bedeutung. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2002)