Prüfungen hat Umwelthistorikerin Verena Winiwarter jede Menge abgelegt, eine allerdings erheitert sie noch heute: "Ich besitze auch den Aufzugführerschein!" Der war 1985 unumgänglich geworden, als die junge HTL-Chemikerin regelmäßig den Richtfunkturm am Wiener Exelberg erklimmen musste. An dessen Spitze hatte die Technische Universität Wien (TU) Messgeräte für eine Studie über Luftverschmutzung installiert, die die damals frisch gebackene Ingenieurin betreute.Umweltschutz und Geschichte zusammenführen "Das", sagt Winiwarter, "war in meinem ersten Leben als Chemikerin." Das zweite folgte bald. Ab 1986 studierte sie Geschichte und Publizistik - zunächst neben ihrer Arbeit am TU-Institut für Analytische Chemie. Der Abschluss in Mittelalterlicher Geschichte fiel zusammen mit ihrem ersten Engagement als Historikerin: Sie wurde zur Mitarbeit an der oberösterreichische Landesausstellung 1992 über "Bauern" eingeladen. "Die wurde eine heimliche Ökoausstellung", sagt Winiwarter, "damals begann sich mein heutiger Arbeitsschwerpunkt abzuzeichnen." Ihre Dissertation zur Umweltgeschichte sollte später die erste werden, die die Uni Wien auf diesem Fachgebiet approbierte. Vom Nazisymbolhaften befreien Warum die Umweltgeschichte in Europa ein weißer Fleck, in den USA dagegen seit den 70er-Jahren etabliert ist, erklärt Winiwarter so: "In Amerika kam die Initialzündung von der Beschäftigung der Historiker mit den bedrohten Lebensräumen der Indianer. Die Europäer haben zwar auch über Umweltgeschichte nachgedacht, sind aber mit der Aufarbeitung an den verschiedenen Sprachen und Uni-Systemen gescheitert. Dazu kam, dass der Naturschutz aus der Nazizeit einen Beigeschmack von Blut und Boden hatte." Die Überwindung dieser Barrieren hat sich Winiwarter nun zur Aufgabe gemacht. Bis jetzt offenbar mit Erfolg: Letzten September wurde sie auf der ersten Konferenz der neuen "European Society for Environmental History" zur Präsidentin gewählt. Ideologien fliehen Heute forscht die 40-Jährige mit einem Firnberg-Stipendium am Institut für Anthropologie der Uni Wien. Was sie sucht, sind die theoretischen Grundlagen der Umweltgeschichte - quer durch die bislang kaum miteinander kommunizierenden Disziplinen. Und jenseits jeglicher Ideologie: "Umweltgeschichte darf weder dem Fortschrittsglauben noch der Untergangshysterie das Wort reden. Sie muss theoretisch so fundiert werden, dass derartige Ideologien sichtbar werden." Vor kurzem hat Winiwarter, die mit einem Atmosphärenchemiker verheiratet ist und zwei Kinder hat, mit ihrer Habilitation begonnen. Das Thema: eine neue Einführung in die Umweltgeschichte, "einfach, weil es bis heute für Europa keine gute gibt". (DER STANDARD, Printausgabe 12.03.2002)