Wien - Gewisse Phänomene in der Biologie lassen sich mit bestehenden Denkmodellen nicht erklären, etwa wie (rasch) sich in der Welt der Bakterien Informationen verbreiten, erklären.Forscher um den Quantenphysiker Anton Zeilinger haben nun ein Experiment vorgelegt, das auch für biologische Phänomene einen passablen Denkansatz birgt. Dazu bauten die Physiker an der Uni Wien in Abständen von zwanzig Zentimetern drei Goldgitter mit einem Mikrometer (ein Millionstelmeter) zwischen deren Stäben hintereinander auf. Und jagten C-70 - rugbyballförmige Kohlenstoffmoleküle - durch. Dabei zeigten diese im Vakuum bei 600 Grad Celsius eine Art doppelte Identität. Sie beherrschten die Bilokation, quasi. Einerseits zwängte sich jedes einzelne Teilchen als Molekül durch einen Schlitz, andererseits breitete es sich als Materiewelle ähnlich einer Radiowelle räumlich aus (Physical Review Letters Vol. 88, S. 100404). Festzustellen an einem Muster hinter den Gittern, wie es nur mit Wellen erklärbar ist. Es besteht aus Teilchen, die die Forscher mit einem Laserstrahl als einzelne Klicks (Einschläge) registrierten. Das Muster ist eine Folge der Interferenz, daher nennt man den Versuchsaufbau ein Interferometer. Möglich wurde seine Entwicklung durch den Spezialforschungsbereich Quantensysteme des FWF. Gäbe es nicht die zweite Identität der Moleküle, gäbe es keine Interferenzen. "Das wäre, wie wenn Sie Sand durch ein Gitter schütten. Da blieben hinter den Schlitzen nur Häufchen übrig", illustriert Lucia Hackermüller. "Bei unserem Versuch hingegen", sagt die Experimentalphysikerin, "war das wie bei einer Wasserwelle: Da können sich ein Wellenberg und ein Wellental ebenfalls gegenseitig auslöschen." Ähnliches konnte Zeilingers Gruppe früher schon mit einem Einfachgitter zeigen. Und vor allem mit kleineren Molekülen. Die C-70-Moleküle sind ganz schöne Kaliber. Hackermüller will mehr: "Die Experimente Richtung biologische Teilchen - Peptide oder Proteine - ausweiten und deren Wellenverhalten nachweisen." Gibt es sonst eine Anwendung? "Man könnte kleine Siliziumplättchen mit diesen Molekülgittern regelmäßig beschichten." Das könnte die Halbleiterindustrie eines Tages für die Erzeugung von Nanostrukturen nutzen. Stehen denn schon Firmen Schlange? "Nein", sagt die junge Wissenschafterin streng, als wäre sie in ihrer Physikerinnenehre gekränkt, "zuerst probieren wir das einmal selbst aus." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 3. 2002)