International
Die neuen amerikanischen Atombomben-Pläne
London/Moskau/Paris/Madrid - Die neuen Atomwaffen-Pläne
des US-Verteidigungsministeriums werden am Montag von einer Reihe
internationaler Zeitungen kommentiert. Zu der amerikanischen Drohung,
notfalls auch Atomwaffen gegen "Verbrecherstaaten" einzusetzen,
schreibt die britische
"Financial Times"
(London): "Wenn sie das
ernst meinen, dann deutet das auf eine gestiegene Bereitschaft der
US-Regierung hin, Atombomben einzusetzen. Das gibt anderen wie Indien
oder Pakistan, die erst seit kürzerer Zeit im Besitz solcher Waffen
sind, sehr Besorgnis erregende Signale.
Als einzige Supermacht besitzen die USA ein gewaltiges
militärisches Arsenal einschließlich eigener
Massenvernichtungswaffen. Keine andere Macht kann damit konkurrieren.
Aber eine so gewaltige Macht zu besitzen, bringt auch eine gewaltige
Verantwortung zur Selbstbeherrschung mit sich. Das ist die Botschaft,
die Präsident George W. Bush jetzt predigen muss."
Die Moskauer Tageszeitung
"Iswestija"
meint: "Mit der
Veröffentlichung der Liste wollten die USA vor allem dem Irak ein
eindeutiges Signal senden angesichts der steigenden Spannungen
zwischen Israel und den Palästinensern. China wurde indirekt mit dem
Einsatz von Atomwaffen gedroht, falls es Taiwan angreift. Aber was
hat Russland auf dieser Liste zu suchen? Einer der Autoren der Studie
merkte an, dass 'die USA bei Russland nicht mit einer unerwarteten
Entwicklung der Dinge rechnen'. Doch die USA 'könnten nicht sicher
sein, dass die Beziehungen zu Russland immer so sein werden'."
Auch die konservative französische Tageszeitung
"Le Figaro"
(Paris) geht auf die von Washington geplanten neuen Atomwaffen ein:
"Hier wird die bisherige Nuklear-Doktrin auf den Kopf gestellt. Es
geht nicht mehr darum, wie im Kalten Krieg durch Abschreckung ein
Gleichgewicht zu sichern, um die Atombomben nicht einsetzen zu
müssen. Jetzt steht vielmehr eine sehr viel breiter angelegte
Verwendung im Mittelpunkt. Zwar findet sich George W. Bushs
Formulierung von der Achse des Bösen in alledem wieder, doch wird
klar, dass der amerikanische Präsident jetzt nicht mit Worten spielt.
Bush ist ganz und gar bereit, diejenigen zu bekämpfen, die sich
eines Tages mit einem Arsenal biologischer, chemischer oder nuklearer
Waffen ausrüsten könnten. Um sich also gegen eine außerordentliche
Bedrohung zu schützen, der des 11. September vergleichbar, ist der
US-Präsident bereit, ebenso ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen."
Die unabhängige spanische Zeitung
"El Mundo"
(Madrid) kommentiert:
"Nach den Anschlägen vom 11. September hatte US-Präsident George W.
Bush noch eine bemerkenswerte Mäßigung an den Tag gelegt. Damit ist
es vorbei. Nun setzt er in zunehmendem Maße auf einen militärischen
Expansionismus in aller Welt. Die Kriegsmaschinerie drängt die Arbeit
der Diplomaten in den Hintergrund. Die Alliierten hat Bush nicht
einmal konsultiert.
Viel gefährlicher als dieser Unilateralismus sind die US-Pläne,
den Irak anzugreifen und Saddam Hussein zu stürzen. Mit seiner
militärischen Eskalation wird Bush die zahlreichen Feinde der USA
nicht abschrecken. Er vergrößert vielmehr die Gefahr neuer Konflikte
in aller Welt. Zugleich erhöht sich das Risiko terroristischer
Vergeltung. Dagegen sind auch ein Raketenschutzschild im Weltraum und
Atomwaffen machtlos."(APA/dpa)