Dass Justizminister Dieter Böhmdorfer das Recht von Verbrechensopfern auf staatliche Hilfe endlich im Gesetz verankern will, ist begrüßenswert. Den Lorbeer wird er sich für diese überfällige Novelle aber nicht anstecken können, denn die geplante Gesetzesänderung ist keine humanitäre Initiative des Ministers. Er muss. Laut Beschluss des Europäischen Rates sind nämlich alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, schrittweise bis zum Jahr 2004 in ihren Strafrechtssystemen Verbrechensopfern tatsächlich und angemessen Rechnung zu tragen. Bis 22. März 2002, in elf Tagen, sollen die meisten der entsprechenden Rechtsvorschriften bereits in Kraft gesetzt sein. Das wird Böhmdorfer wohl nicht mehr schaffen.Was er aber geschafft hat, ist Opfer zu verunsichern und Opferschutzeinrichtungen in ein schlechtes Licht zu stellen. Mit seiner angekündigten Reform des Subventionssystems, mit der er ein "Versickern von Fördergeldern in Vereinsbürokratien" verhindern und eine "zentrale Anlaufstelle für Verbrechensopfer" schaffen will, würde er nicht nur Opferhilfsvereine in den Ruin treiben, er würde auch den Opfern selbst schaden. Was beispielsweise eine vergewaltige Frau aus Vorarlberg am wenigsten braucht, ist ein zentraler Hilfsverein in Wien, bei dem sie unter Angabe von Namen, Fallschilderung, Gutachten und Geschäftszahl um Geld für dringende Psychotherapie betteln gehen muss. Was sie aber dringend braucht, ist sofortige Hilfe in ihrer unmittelbaren Umgebung. Und zwar nicht von irgendwem, sondern von einer Einrichtung ihres Vertrauens. In Anbetracht der steigenden Zahl von Hilfesuchenden und des EU-Beschlusses, Opfern tatsächlich zu helfen, ist das Subventionssystem aber sehr wohl reformbedürftig: Den Opferschutzeinrichtungen ist mehr Geld zur Verfügung zu stellen. (DER STANDARD, Print, 11.3.2002)