Er ist dreiundfünfzig Jahre alt, Universitätsprofessor, Millionär, Kolumnist beim größten Wochenmagazin Elsevier und will unbedingt Premier werden. So stellt er sich selbst dar, in seinen Artikeln, Auftritten und auf seiner Website. Pim Fortuyn ist exzentrisch, fährt einen glitzernden Luxuswagen, lässt sich vor seinem Swimmingpool im Bademantel fotografieren und hat nie ein Hehl daraus gemacht, homosexuell zu sein. Er ist hedonistisch, egozentrisch und provoziert gerne. Er steht mitten in einer Talkshow auf, beleidigt seine Gegner, die ihm unangenehme Fragen gestellt haben, und verlässt empört das Studio. Das imponiert jedem dritten Rotterdamer - Fortuyns Wahlliste wurde bei den Kommunalwahlen stärkste Partei in Europas größter Hafenstadt. Sein Erfolg erklärt sich nicht zuletzt aus einem Trend, der sich in den Niederlanden immer stärker bemerkbar macht: Die Niederländer haben die Nase voll von einem System, das ihnen zwar eine niedrige Arbeitslosigkeit und einen teuren, aber nicht uneffektiven Sozialstaat beschert, zugleich aber Korruption, Unsicherheit und Filz mit sich gebracht hat. Und da alle anderen Parteien dieses Modell entweder geschaffen haben, es verteidigen oder noch weiter auf die Spitze treiben wollen, blieb den vielen Unzufriedenen als Ventil nur, für einen Außenseiter zu stimmen. Doch ist Pim Fortuyn wirklich ein Außenseiter? Aufgewachsen in einem kleinen, konservativen Dorf, studierte er Soziologie und eröffnete danach ein erfolgreiches Consulting-Büro in Rotterdam. Von den etablierten Parteien ignoriert, lancierte er sich selbst als möglichen Spitzenkandidaten von "Leefbaar Nederland", "Lebenswerte Niederlande". Die Bewegung entstand in den Neunzigerjahren aus Protest gegen Parteienfilz. Fortuyns Bücher, in denen er vor der "Islamisierung unserer Kultur" warnt, sind Bestseller, durch die Attentate vom 11. September erhielten "Leefbaar Nederland" und er selbst noch Rückenwind. Publizistisch unterstützt von Elsevier begann er einen Feldzug gegen die Political Correctness der Niederlande. Gegen die verstößt er aber nur da, wo er dem Volk aus der Seele zu sprechen glaubt. Als Anfang Februar ein Interview erschien, in dem Fontuyn ein Einreiseverbot für Muslime, die Ausweisung von antillianischen Niederländern, eine Streichung des Diskriminierungsverbots in der Verfassung und eine Aufhebung der offenen Schengen-Grenzen fordert, riss der Partei die Geduld. Die Führung feuerte Fortuyn. Doch der gründete in Rotterdam seine eigene Namensliste. Nach Umfragen könnte Fortuyn, der in den Medien der "niederländische Haider" genannt wird, mit 20 von 150 Mandaten ins Haager Parlament einziehen. (DER STANDARD, Print, 11.3.2002)