Mit den Schweden The (International) Noise Conspiracy und der US-Band The Strokes gastierten in drei Tagen zwei der wichtigsten neuen Punkbands in Wien. Ihre Auftritte hätten unterschiedlicher nicht sein können. Wien - In diesbezüglich gewöhnlich gut informierten Kreisen kursierte am Samstag vor dem Konzert der New Yorker Punkband The Strokes im Pepsi Music Club folgendes Gerücht: Die Band hätte eine Betreuerin ihrer Plattenfirma gebeten, zehn Girls für eine After-Show-Party aus dem Publikum auszusuchen. Bedingung: Die Auserwählten müssten über 18 sein und bloß nicht zu dick, die Körbchengröße sei toleranterweise egal. Nun muss man hier nicht unbedingt moralisch entrüstet oder menschlich enttäuscht reagieren, wenn eine Band, die mit dem Punkimage kokettiert, ein paar Groupies in Auftrag gibt. Die Frage, die sich angesichts des laschen Auftritts der "Band der Stunde" jedoch stellte, war, was, um Himmels Willen, wollen die fünf denn mit den weiblichen Fans anfangen? Flaschendrehen? Stadt-Land-Fluss spielen? Serviettensammlungen vergleichen? Drehbuchkonform Man musste also gar nicht erst die "Früher war alles besser"-Kiste strapazieren, um von den Männlein rund um Punksänger-Darsteller Julian Casablancas enttäuscht zu sein. Aufgefädelt wie bei einer demütigenden Jungmänner-Musterung - Resultat: vorübergehend untauglich - standen die fünf Modepunks auf der Bühne, und einzig der Umstand, dass Casablancas irgendwann drehbuchkonform den Mikrophonständer unsanft von Punkt A nach Punkt B beförderte, wischte den Verdacht vom Tisch, die Band wäre am Bühnenboden fix montiert worden. Ein Umstand, der umso erstaunlicher erscheint, als sich ja Punk wie kaum eine andere Musik dazu eignet, ohne größeren Schaden zu nehmen, auszuzucken: kurz, laut und schnell. Aber das müsste man wollen, und dazu benötigte man ein Anliegen, das eventuell darüber hinausreicht, einfach nur medial präsent zu sein. Die Strokes begnügten sich mit einer gelangweilten Show, bei der sich zumindest auf der Bühne der Puls der Akteure wohl nur selten über die zum Gähnen notwendigen 80 Schläge pro Minute bewegte. Man schrummte sich gefällig durch ein ja nicht allzu umfassendes Repertoire ( Soma , The Modern Age , New York City Cops . . .) und beendete nach knappen 45 Minuten den Auftritt mit Take It Or Leave It . Wären bloß alle langweiligen Shows so schnell aus! Dass Punk heute schon auch noch jenseits des Fadgas-Alarms angesiedelt sein kann, bewiesen zwei Tage zuvor fünf andere junge Menschen: The (International) Noise Conspiracy trat in einer ausverkauften Szene Wien zu einer "Revolutionary Dance Party" an - und dem Saal mit einer obsessiven Bühnenshow ordentlich in den Hintern. Die uniform gekleideten Schweden, vier Jungs und ein Naschzeug, gelten als politische Punks, die mit den Mitteln der sechssaitigen Brechstange den Auswüchsen des Kapitalismus den Kampf ansagen. Zu klassischem US-Garagen-Punk, unterstützt von einer Orgel aus dem Hause Farfisa oder Vox, brüllte Sänger Lars Strömberg gegen das globalisierte Unrecht an. Dass dabei neben ungleich mehr Bühnenaction auch der Schmäh lief, unterstrich Strömbergs Aufruf, doch bitte das Stage-Diving einzustellen: "That's so 94!" Abseits der absolut unnötigen Debatte, ob Retropunk nun "erlaubt" sei und ohne Gefahr zu laufen, dass man mit dem "Papa erzählt schon wieder vom Krieg"-Verdacht belegt wird, wenn man auf die Ursprünge von Punk verweist, illustrierten diese beiden Konzerte sehr deutlich, was die HipHopper Public Enemy einst konstatierten: "Don't Believe The Hype!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. 3. 2002)