Kolumbien
Historische Niederlage für Traditionsparteien in Kolumbien
Überraschender Erfolg für rechte und linke Kandidaten
Bogota - In Kolumbien haben die seit dem 19. Jahrhundert
dominierenden Traditionsparteien bei der Parlamentswahl am Sonntag
eine historische Niederlage erlitten: Erstmals in der Geschichte des
lateinamerikanischen Landes verfügen die Liberalen und die
Konservativen im Senat zusammen nicht mehr über die Mehrheit. 18 Tage
nach dem Abbruch der Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla
durch den konservativen Staatspräsidenten Andres Pastrana erzielten
eigenständig kandidierende rechte und linke Bewerber einen
überraschenden Erfolg in beiden Parlamentskammern. Konservative und Liberale, die sich in Kolumbien seit 1958 an der
Macht abwechseln, bekamen einen deutlichen Denkzettel verpasst: Nach
Auszählung fast aller Stimmzettel entfielen auf die Liberale Partei
im Oberhaus des Parlaments nur noch 30, auf die Konservative Partei
nur noch 13 der insgesamt 102 Sitze. Bei der vorherigen
Parlamentswahl im Jahr 1998 hatten die Liberalen mit 56 Mandaten
allein die Mehrheit erhalten, die Konservativen waren auf 17 Sitze
gekommen. Der Vorsitzende der Konservativen Partei, der als Senator
wiedergewählte Carlos Holguín, zog umgehend die Konsequenzen aus der
Wahlniederlage und erklärte noch vor Mitternacht seinen Rücktritt.
Die meisten Stimmen bei der Senatswahl erhielten Anhänger des
rechtsgerichteten Präsidentschaftskandidaten Alvaro Uribe sowie das
frühere Mitglied der 1990 aufgelösten linksgerichteten
Guerillaorganisation M-19, Antonio Navarro Wolf. Der frühere
Gesundheitsminister und Bürgermeister von Pasto, der vor mehr als
einem Jahrzehnt bei einem gegen ihn gerichteten Mordanschlag ein Bein
verlor, hatte bereits vor vier Jahren bei der Wahl zum
Abgeordnetenhaus das beste Ergebnis erzielt. Offenbar sahen viele
Wähler in ihm den Mann, der doch noch einen Dialog zwischen der
Regierung und der linksgerichteten Guerillaorganisation Revolutionäre
Streitkräfte Kolumbiens (FARC) zustande bringen könnte.
Ebenfalls auf den vordersten Plätzen lagen zwei Uribe-Anhänger:
der Ex-Minister und frühere Bürgermeister von Medellín, Luís Alfredo
Ramos, und der derzeitige Abgeordnete German Vargas Lleras. Ramos war
früher Mitglied der Konservativen, Lleras der Liberalen Partei. Bei
der Präsidentschaftswahl am 26. Mai unterstützen beide Uribe, der
Friedensverhandlungen mit der Guerilla strikt ablehnt und in den
Umfragen konstant mit großem Vorsprung auf Platz eins vor dem
früheren liberalen Vize-Präsidenten Horácio Serpa liegt. Die
liberalen und konservativen Senatskandidaten Juán Manuel López und
Omar Yepes waren abgeschlagen auf den Plätzen sechs und acht.
Ähnliche Ergebnisse wie im Senat zeichneten sich bei der Wahl zum
Abgeordnetenhaus ab: Hier führten der ehemalige Gewerkschaftsführer
und M-19-Guerillero Gustavo Petro und die Uribe-Anhängerin Gina
Parodi.´
Beobachter werteten das Wahlergebnis als Quittung für die
Unfähigkeit des als korrupt verrufenen Parlaments, dem seit fast vier
Jahrzehnten anhaltenden Konflikt zwischen Regierungstruppen, Guerilla
und ultrarechten Todesschwadronen ein Ende zu setzen. Vermutlich 55
Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich gar nicht erst an dem
Urnengang, der als Test für die Präsidentschaftswahl galt. Uribe
festigte nun offenbar seine Stellung als Favorit.
Die unter starken Sicherheitsvorkehrungen abgehaltene
Parlamentswahl ging ohne größere Zwischenfälle zu Ende. Lediglich aus
sieben der 1100 Gemeinden wurden kleinere Vorkommnisse wie der
Diebstahl der Stimmzettel durch die FARC-Guerilla gemeldet.
Landesweit waren 180.000 Sicherheitskräfte zum Schutz des Urnengangs
aufgeboten. Linke Rebellen und ultrarechte Paramilitärs hatten damit
gedroht, die Wahl durch Gewaltaktionen zu behindern.(APA)