Wien - Wie sich das reichlich beliebige Festivalmotto "Fremd/Vertraut" durch die Veranstaltungen von Hörgänge legitimiert, wird man hoffentlich noch im Laufe der nächsten Tage erleben (Zeit bleibt bis 16. März). Und wenn nicht, wird daraus auch keine griechische Tragödie. Abseits der Stringenz seines Mottos wird dieses Festival ohnedies wesentlich durch seine Buntheit und die Konzentration auf Uraufführungen geprägt. Und sollten diese annähernd jenes Niveau erreichen, das am Beginn vorgelegt wurde, ja, dann wird alles gut gewesen sein. Dem Radio Symphonieorchester Wien unter Peter Rundel (für Kwamé Ryan eingesprungen) ist es zu danken, dass bei Friedrich Cerhas Hymnus die eleganten, strukturbildenden Absichten ebenso transparent wurden wie das Unmittelbare des suggestiven Klangwillens. Cerha beschert einem hier substanzvollen Hörgenuss: meditativ-vibratolose, sanft durchatmende, kreisende Streicherpassagen. Momente der Verdichtung mit massigen Bläserentladungen. Und schließlich eine Rückkehr zur Verinnerlichung. Ungemein eindringlich. Unruhiger Ligetis Violinkonzert, das durch die quirlige Unberechenbarkeit seiner zweifellos komplexen Anlage frappiert. Ernst Kovacic (eingesprungen für Isabelle Faust) hat zwischen Minimal-Music-artiger Motorik, süßlicher Tonproduktion, drängenden Linien und Exkursen ins Schrille zu pendeln, während sich in der orchestralen Umgebung gar Seltsames tut. Auf der Suche nach einem bewusst derben Sound hat Ligeti groteske Soundskulpturen ersonnen, die mit Okarinen und Lotosflöten arbeiten - abseits des Gaghaften natürlich. Dass Bartóks Wunderbarer Mandarin schließlich etwas herb und leicht unsauber über die Rampe kam, ist fast schon vergessen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 3. 2002)