Finanzen & Börse
Aktienforum will Österreich zum Land der Aktionäre machen
Bis jetzt zu wenig große Industriebetriebe
Wien - Der österreichische Kapitalmarkt braucht dringend
eine Belebung: Gelinge es in den kommenden drei bis fünf Jahren
nicht, zum europäischen Durchschnitt aufzuschließen, dann werde
Österreich in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit stark
zurückfallen, sagte der Präsident des Aktienforums, Hellmut Longin,
bei einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend in Wien. Analyse und
Verbesserungsvorschläge der Situation am heimischen Kapitalmarkt
waren Themen des Abends, an dem prominente Vertreter von Börse,
Wissenschaft und Wirtschaft teilnahmen. Eines der Hauptprobleme: Österreich hat zu wenige große
Industriebetriebe, sagte der von der Regierung eingesetzte
Beauftragte für den Kapitalmarkt, der frühere OMV-Generaldirektor
Richard Schenz. Zur Zeit der Monarchie sei die Industrie vor allem in
Tschechien angesiedelt worden, Österreich habe sich mit Verwaltung
und Tourismus begnügt. Die Ereignisse um die Schaffung einer
österreichischen Stromlösung bezeichnete er als "Trauerspiel", das
unter anderem wegen herrschenden "Kantönligeistes" nicht dazu angetan
sei, den Kapitalmarkt zu beleben.
Steuerliche Anreize
Das Aktienforum fordert vehement eine Belebung des Kapitalmarkts,
"der Status Quo lässt sich nicht fortschreiben", sagte
Aktienforums-Geschäftsführer Markus Fichtiger. Nur 7,5 Prozent der
Österreicher seien Aktionäre, im vergleichbaren Schweden liege dieser
Satz bei 36 Prozent. Das Aktienforum regt unter anderem steuerliche
Anreize für Investoren und Emittenten an. Der Unternehmensberater
Boston Consulting Group hat in einer Studie bereits vor einem Jahr
"sechs Hebel" ermittelt, mit denen der österreichische Kapitalmarkt
jenen Stellenwert erhalten soll, der ihm zusteht. Dazu gehören
weitere Privatisierungen durch die staatliche ÖIAG, mehr Börsegänge
attraktiver Klein- und Mittelbetriebe oder ein Ausbau der privaten
Pensionsvorsorge.
Schenz sprach sich ebenso wie Börsevorstand Erich Obersteiner für
eine Funktion des Staates als Kernaktionär aus: Der Staat sei zwar
ein schlechter Eigentümer, es gehe aber darum, Konzernzentralen in
Österreich zu behalten. Bei Übernahmen durch ausländische Unternehmen
drohe der Verlust von Arbeitsplätzen, wie das Beispiel Semperit
Reifen zeige. Die Rolle eines längerfristigen strategischen Aktionärs
könnten allerdings auch andere Gruppen als die staatliche
Beteiligungsholding ÖIAG innehaben.
"Land der Sparbücher"
"Alles was die Liquidität erhöht, verbessert die Attraktivität,
stellte Finanzexperte Christian Helmenstein vom Institut für Höhere
Studien (IHS) fest. Vor diesem Hintergrund bedauert er
Komplettverkäufe (trade sales) durch die ÖIAG wie den der Austria
Tabak. Ansonsten sollte der Staat im Wirtschaftsbereich möglichst
wenig intervenieren, sondern vor allem im Bildungsbereich tätig
werden.
Österreich müsse vom Land der Sparbuch-Anleger zu einem Land der
Aktionäre werden, forderte Longin. Auch die Medien sollten sich
stärker in diese Richtung engagieren. Die steuerliche Begünstigung
des Bausparens sei ein "Betrug am Steuerzahler", da nur wenige
Bausparer das Geld zweckgebunden zum Bauen verwendeten. (APA)