Houston - Was österreichische Experten erst im vergangenen
Dezember als Erwartung präsentiert haben, ist Realität: Patienten mit
chronisch-myeloischer Leukämie, die bereits im frühen Stadium der
Erkrankung mit dem revolutionären Medikament "Glivec" behandelt
werden, haben offenbar wesentlich bessere Chancen. Das geht aus einer
internationalen Studie hervor, die in der neuesten Ausgabe des "New
England Journal of Medicine" (28. Februar) veröffentlicht wurde. Bei
knapp 90 Prozent der Behandelten blieb die Erkrankung stabil.
"Die Ergebnisse mit 'Glivec' (STI-571) in der chronischen Phase
der chronisch-myeloischen Leukämie sind ausgesprochen 'aufregend',
weil sie ständig besser fundiert werden. Die Resultate sind viel
versprechend. Sie deuten darauf hin, dass eine frühere Anwendung von
'Glivec' eine starke Verbesserung der Langzeitchancen der Patienten
bringen könnte", erklärte Univ.-Prof. Dr. Hagop Kantarjian, Leiter
der Leukämie-Abteilung am Anderson-Krebszentrum in Houston im
US-Bundesstaat Texas.
Neues Wirkprinzip
Das Arzneimittel bildet ein völlig neues Wirkprinzip in der
Behandlung von Leukämien bzw. von Krebs. Der Inhaltsstoff hemmt
gezielt ein in den bösartigen Zellen vorhandenes Enzym, eine
Tyrosin-Kinase. Dieses Enzym treibt die entarteten Zellen in die
ständige Teilung. Bei der chronisch-myeloischen Leukämie entsteht
dieses Enzym durch Umlagerung von Chromosomen-Anteilen zum so
genannten bcr-abl-Gen (Philadelphia-Chromosom). Genau hier wirkt der
Wirkstoff STI-571.
Die chronisch-myeloische Leukämie läuft normalerweise in drei
Phasen ab: die chronische Phase (fünf bis sechs Jahre), die
"beschleunigte Phase" und schließlich die "Blastenkrise". Ist das
Endstadium erreicht, kann nur noch eine Knochenmarktransplantation -
eventuell - helfen. Vor allem Interferon-alpha wurde in den
vergangenen Jahren in der Behandlung der Erkrankung eingesetzt. Doch
nur ein Teil der Patienten spricht darauf an.
Von spät auf früh
Am Beginn der Verwendung von "Glivec" wurde es bei Patienten in
der Spätphase eingesetzt. Immerhin noch 26 Prozent der Betroffenen
zeigten ein Ansprechen. 20 Prozent kamen wieder zurück in eine
chronische Phase.
Doch die neuesten Daten sprechen bereits für die Verwendung am
Beginn der Erkrankung, also in der chronischen Phase. Kantarjian und
ein Team internationaler Experten behandelten 532 Patienten im späten
Stadium dieser chronischen Phase mit täglich 400 Milligramm der
Substanz. Bei ihnen drohte die Krankheit trotz Interferon-Behandlung
fortzuschreiten. Die Beobachtungszeit betrug 18 Monate.
Die Resultate
Bei 60 Prozent der schließlich 454 Patienten, von
denen die Daten ausgewertet wurden, zeigten nur noch weniger als 35
von 100 weißen Blutkörperchen das Philadelphia-Chromosom. Nach 18
Monaten war die Krankheit noch immer bei 89 Prozent der Kranken
stabil. 95 Prozent der Betroffenen waren am Leben.
So gut die Ergebnisse sind, nur ein Teil der Leukämiepatienten
unter Erwachsenen darf auf die neue und wirksamere Therapie hoffen.
Nur 15 bis 20 Prozent der Leukämie-Patienten leiden an einer
chronisch-myeloischen Leukämie. Das sind in Österreich jedes Jahr
rund 125 Neuerkrankungen.(APA)