Kosovo
Ibrahim Rugova: erster Präsident des Kosovo
Führte mehr als ein Jahrzehnt den gewaltlosen Widerstand der Kosovo-Albaner
Pristina - Mehr als zwei Jahre nach dem Ende der
NATO-Luftangriffe auf Jugoslawien 1999 ist Ibrahim Rugova am Montag
zum ersten Präsidenten der Provinz Kosovo gewählt worden. Der
Schriftsteller führte mehr als ein Jahrzehnt den gewaltlosen
Widerstand der albanischen Mehrheitsbevölkerung im Kosovo gegen die
gnadenlose Unterdrückung durch Belgrad. In dieser Zeit gab man ihm
den Beinamen "Gandhi des Balkan". Als gemäßigter Führer der Kosovo-Albaner stieg der heute
57-jährige Rugova zum wichtigsten Gegenspieler des serbischen und
später jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic auf. Ende der
neunziger Jahre geriet er aber durch die wachsende Radikalisierung
der frustrierten Kosovo-Albaner in die Defensive. Die Untergrundarmee
UCK wurde zum wesentlichen Akteure in der Provinz. Einigkeit zwischen
den zerstrittenen albanischen Parteien besteht aber über das Ziel,
das Kosovo "so schnell wie möglich" in die Unabhängigkeit zu führen.
Rugovas Bekenntnis zum Gewaltverzicht hebt seinen Politikstil
maßgeblich von dem seiner politischen Konkurrenten ab.
"Er ist einer der großen Apostel der Gewaltfreiheit unserer Zeit",
hieß es 1996 in der Verleihungsurkunde der Ehrendoktorwürde der
Universität von Paris an Rugova. Genau diese Eigenschaft machen
albanische Hardliner ihm aber zum Vorwurf. Insbesondere während der
NATO-Bombardements auf Jugoslawien im Frühjahr 1999 geriet sein
Prinzip, Konflikte mit Worten und nicht mit Waffen lösen zu wollen,
ins Zwielicht.
Die früheren UCK-Rebellen haben es Rugova wohl nie verzeihen, dass
er sich kurz nach dem Beginn des Krieges in Belgrad mit Milosevic
beim Händedruck ablichten ließ. Die Hintergründe des Treffens liegen
bis heute im Dunkeln. Bei den Kosovo-Albanern machte sich aber das
Gefühl breit, Rugova übertreibe es mit seiner Gesprächsbereitschaft.
Rugova wurde 1944 in dem Dorf Cerrce im Osten der Provinz Kosovo
geboren. Er wuchs dort in einem intellektuellen Umfeld auf. Sein
Vater war für seine umfangreiche Bibliothek berühmt. Rugova schrieb
sich an der Universität Pristina für albanische Studien ein und legte
1984 eine literaturwissenschaftliche Disseration vor. Über die
Literatur fand er in die Politik: Als er 1989 an die Spitze des
Schriftstellerverbandes im Kosovo gewählt wurde, entwickelte sich die
Standesvertretung unter seiner Leitung zur geistigen Speerspitze der
Opposition gegen Belgrad.
Im gleichen Jahr noch wurde Rugova dann zum Vorsitzenden der
wichtigsten albanischen Partei, der Demokratischen Liga des Kosovo
(LDK), gewählt. Unter seiner Führung bauten die Kosovo-Albaner ein
eigenes Verwaltungssystem auf, riefen 1990 die Unabhängigkeit der
"Republik Kosovo" aus und ließen sie in einer Volksabstimmung
bestätigen. 1992 gewann die LDK erneut die Wahl, die allerdings von
der Belgrader Führung für illegal erklärt wurde. 1998 wurde Rugova
nochmals als "Präsident" der Kosovo-Albaner bestätigt. Seine
Präsidentschaft wurde jedoch nicht offiziell anerkannt.
Am Montag endlich war das Ziel erreicht. Im vierten Anlauf wählte
das Parlament Rugova offiziell zum Präsidenten. Seine LDK hatte die
Parlamentswahl im November zwar gewonnen. Dem dreimonatigen Tauziehen
um die Machtverteilung bereiteten die Vertreter der verschiedenen
Parteien jedoch erst in der vergangenen Woche unter Vermittlung des
neuen UNO-Verwalters Michael Steiner ein Ende.(APA)