Wien - Der Grazer Historiker Stefan Karner hat darauf hingewiesen, dass die Benes-Dekrete und die Avnoj-Bestimmungen in Gerichtsverfahren in Tschechien bzw. den Nachfolgestaaten Jugoslawiens "immer noch angewandt werden". Sowohl die Dekrete des damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes als auch die Dekrete des Kriegsparlaments Tito-Jugoslawiens (Avnoj) unterstellten eine Kollektivschuld der deutschsprachigen Bevölkerungsteile. "Das hat in einer europäischen Rechtsordnung keinen Platz", betonte Karner Freitag Abend in der ZiB 2. "Die Dinge beim Namen nennen" Zur Arbeit der österreichisch-slowenischen Historikerkommission zur Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte sagte Karner, es sei notwendig, "die Dinge beim Namen zu nennen, die lange weggeschoben wurden". "Es geht darum, dass sich die Nachbarn wieder ins Gesicht schauen können". Karner merkte an, dass die Enteignung und Vertreibung der deutschen Minderheit ohne die Vorgeschichte des Überfalls Hitler-Deutschlands auf Jugoslawien nicht erklärbar sei. "Das entschuldigt nichts, aber es macht die Dinge erklärbar". Donnerstag und Freitag hatte in Wien die zweite Plenarsitzung der Historikergruppe getagt. Die Historiker aus Österreich und Slowenien wollen die Ergebnisse ihrer Arbeit im Frühjahr 2003 in Laibach präsentieren. (APA)