Wien - Manche Geschichten sind einfach zu wahr, um einfach nur schön zu sein - schön im Sinne von exemplarisch oder ergreifend oder auf bestsellerartige Weise spannend. Solche Geschichten muss man dann manchmal umschreiben, was an und für sich kein Problem ist - sonst gäb's ja keine Mythen. Ein Problem ist manchmal nur das Wie.

A Beautiful Mind, der jüngste und (bekanntlich erfolgreich - Anm.) für mehrere Oscars nominierte US-Kassenschlager von Erfolgsregisseur Ron Howard, erzählt zum Beispiel die Geschichte eines Genies, das durch Liebe und Vertrauen gerettet wird. Es ist ja irgendwie beruhigend, dass auch Genies gerettet werden müssen. Und es ist schön, wenn am Ende ein Nobelpreisträger sich vor allem bei seiner Frau bedanken darf. Genau! Man (und damit sind wohl wir alle gemeint) kann es (was auch immer das sein mag) schaffen, wenn man will.

Der Nobelpreisträger, den Russell Crowe mit beträchtlichem Maskeradeaufwand bis ins hohe Alter spielt, heißt auch im wirklichen Leben John Nash: Dass sich die Frau des US-Mathematikers im wirklichen Leben doch irgendwann scheiden ließ und dass sein Sohn auch schizophren wurde, ist in A Beautiful Mind nicht so wichtig: Stattdessen begibt sich der Film - mitunter in beachtlichen dramaturgischen Wendungen - in zwei Parallelwelten.

Die eine, zunehmend durchwachsen von kaum entschlüsselbaren Codes, Geheimpolizisten und gefährlichen Manövern, existiert nur in Nashs Kopf. Irgendwann einmal wird ihm jeder Zeitschriftentext zur Geheimbotschaft. Und nicht nur in beeindruckend platzierten Zahlenkolonnen erinnert der Film immer wieder an Matrix: Dort, wenn auch im Sciencefiction-Genre, kreiert ja ebenfalls ein Sklave des Alltags Kopfgeburten - ein anderes, hyperrealistisches Universum. Wäre A Beautiful Mind konsequent weiter in dieses Spiel mit Realitätsebenen gegangen, dann hätte dies ein Werk in der Tradition der Verwirrspiele von David Cronenberg werden können: ein Meisterwerk über Codierungen und Erzählformen.

Aber leider ist da doch noch die wirkliche Welt oder besser: die Liebe-und-Vertrauen-Welt, in der zukünftige Oscar-Preisträger Realismus üben. In der schäbige Vorortquartiere nur deshalb ausgestellt werden, damit nachher Besonderes geleistet werden kann. Und in den Universitäten tun derweilen schnoddrige Genies Dinge, die wir erst gar nicht begreifen müssen: Fenster mit Formeln vollkritzeln zum Beispiel. Hauptsache: Am Ende gibt es den verdienten Lohn. Nobelpreis oder Oscar - ist doch alles Leistungsprämie!

Man könnte aber, eher gelangweilt von solchen Konventionen, weiter gehen und sagen: Vielleicht ist auch diese Liebe-und-Vertrauen-Welt nur eine schizophrene Gaukelei. Vielleicht sitzt ein wirklicher John Nash mit all seinen Problemen, Ängsten, Besonderheiten und Absonderlichkeiten in irgendeinem ganz normalen Ambiente und imaginiert diese öden Hollywoodklischees als Fluchtmöglichkeit. Um dies offen zu halten, hätte es am Ende des Films nur einer einzigen weiteren, vielleicht sogar einer dokumentarischen Realität/Fiktion bedurft.

Aber anders als im Film, wo behauptet wird, dass man über den eigenen Schatten springen muss, gelingt dies der Konventionskinoware nur selten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 3. 2002; für Archivierung adaptiert)