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Foto: dpa/ Martin Gerten
Berlin - Die deutsche Regierung hat die umstrittene Änderung der Arbeitslosenstatistik auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben. "Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Arbeitslosenstatistik in dieser Legislaturperiode zu ändern", sagte Arbeits-Staatssekretär Gerd Andres (SPD) am Mittwoch in Berlin. Er begründete den Aufschub mit der erwarteten Besserung der Lage am Arbeitsmarkt, die durch die Vorwürfe der Opposition zur Statistikänderung nur kaputt geredet würde. Die Opposition hatte zuvor kritisiert, die Regierung wolle mit geschönten Statistiken von ihrem Versagen in der Arbeitsmarktpolitik ablenken. Das Arbeitsministerium hatte am Wochenende angekündigt, die Arbeitslosenstatistik neu zu fassen. Erwerbslose, die nicht ernsthaft nach einer Stelle suchen, sollen danach zusätzlich zur bisherigen Statistik gesondert aufgeführt werden. Dies würde rund 1,2 Millionen der derzeit 4,3 Millionen Arbeitslosen betreffen. Die Union hatte der Regierung vorgeworfen, mit Statistikänderungen die Zahl der Arbeitslosen herunterrechnen zu wollen. Andres begründete den Aufschub mit der erwarteten Aufhellung der Lage am Arbeitsmarkt. "Die Regierung will die bessere Lage am Arbeitsmarkt nicht durch den Vorwurf der Opposition diskreditieren lassen, dass sie die Statistik manipuliert", sagte er. Der Zweck der Änderung gehe jedoch angesichts der Vorwürfe der Opposition unter. "Die Regierung ist aber weiter der Meinung, dass eine Änderung sinnvoll ist", fügte er hinzu. Der Opposition warf Andres in der Debatte vor, "selbst den Karren in den Dreck gezogen zu haben" und jetzt andere mit "Dreck zu bewerfen". Die Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen, Vera Dückert, sagte, mit der Verschiebung sei für die Opposition ein neues Wahlkampfthema wie eine Seifenblase zerplatzt. "Wir lassen uns von einer solchen Opposition nicht in die Lage bringen, von Schönfärberei zu reden", fügte sie hinzu. Das Thema werde nun in Ruhe diskutiert. Dückert selbst hatte Riester in den letzten Tagen vorgeworfen, den Zeitpunkt für eine Änderung der Arbeitslosenstatistik schlecht gewählt zu haben. Der FDP-Arbeitsmarktexperte Dirk Niebel sagte in der akuellen Stunde des Bundestags, der Rückzug von Riester zeige, dass er keine Rückendeckung im Kabinett und in der Fraktion besitze. "Der Kanzler hat die Problematik erkannt, der in dieser Zeitnähe zur Bundestagswahl liegt und hat sie zurückgepfiffen", fügte er an Riester gerichtet hinzu. Wenn die Regierung eine ehrliche Statistik wolle, müsse sie auch die Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen in die Statistik mit einbeziehen. Gleiches gelte für die sogenannte stille Reserve an Arbeitssuchenden, die sich nicht arbeitslos gemeldet habe. Der CDU-Abgeordnete Andreas Storm warf der Regierung "Tricksereien und Täuschungsmanöver" vor. Die geplante Statistikänderung sei ein fatales gesellschaftspolitisches Signal, da sie zeige, dass die Regierung die älteren Arbeitslosen über 58 Jahre abgeschrieben habe, die rund die Hälfte der 1,2 Millionen gesondert auszuweisenden Arbeitslosen ausmache. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte am Mittwoch, bei der Bundesregierung denke niemand daran, auch nur einen Arbeitslosen aus der Statistik herauszurechnen. Die BA-Reformkommission unter Peter Hartz werde sich nun mit dem Thema befassen und Vorschläge für eine Änderung der Statistik erarbeiten. DGB-Chef Dieter Schulte hatte zuvor der der "Berliner Zeitung" gesagt, der Kanzler teile seine Meinung, dass eine Bereinigung der Arbeitslosenzahlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt "absolut falsch" wäre. "Die Bundesregierung will sich nicht dem Vorwurf der Schönfärberei aussetzen", sagte Schulte.(APA/Reuters)