Hohe Kosten, aber geringen Erfolg hat die kanadische Regierung bei ihren Bemühungen, Nazi-Kriegsverbrecher zu überführen und auszuweisen. In Kanada wurde noch kein einziger Angeklagter unter diesem Vorwurf rechtskräftig verurteilt. Spricht ein kanadisches Gericht derart Verdächtige mangels Beweisen frei, muss ihnen der Staat auch Gerichts- und Anwaltskosten zurückerstatten.Allein im Steuerjahr 1999/2000 waren das (im Falle dreier mutmaßlicher Nazi-Kollaborateure aus Osteuropa) insgesamt 1,8 Millionen kanadische Dollar (rund 1,3 Millionen Euro oder 17,9 Millionen Schilling). In einem Fall beliefen sich schon die Anwaltskosten für einen Angeklagten auf umgerechnet 542.300 Euro (knapp 7,5 Millionen Schilling). Dies hat nun neuerlich zu öffentlichen Diskussionen geführt, nachdem, Richard Kurland, ein einschlägig befasster Rechtsanwalt, den Medien entsprechende Dokumente zugespielt hatte. Ausweisungen angestrebt Vierzig Jahre lang hatte die Regierung praktisch nichts gegen mutmaßliche Nazi-Verbrecher in ihrem Land unternommen, seit den Achtzigerjahren aber will sie Kanadas Ruf als sicheres Land für solche Kriegsverbrecher widerlegen. Allerdings machte es ein wegweisendes Urteil des höchsten kanadischen Gerichts von 1994 äußerst schwierig, genügend Beweise aufzubringen. Deshalb hat sich die Regierung auf die Strategie verlegt, diesen Verdächtigen die Staatsbürgerschaft wegzunehmen und sie auszuweisen, wenn sie die Immigrationsbehörden bei ihrer Einwanderung über ihre Vergangenheit belogen hatten. Doch auch dieses Vorhaben gestaltet sich schwierig. Seit 1987 sind nur vier Personen ausgewiesen worden oder freiwillig gegangen. Denn selbst jene, denen der kanadische Pass weggenommen wurde, haben wirkungsvolle Einspruchsmöglichkeiten. Wegen dieser geringen Zahl an Ausweisungen glaubt auch Rechtsanwalt Kurland nicht, dass die kanadische Regierung wirklich den politischen Willen hat, Nazi-Kriegsverbrecher zu verurteilen oder auszuweisen. "Mehr mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher sind in Kanada eines natürlichen Todes gestorben, als dass sie des Landes verwiesen wurden", sagt Kurland. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24. 2. 2002)